INSOLVENZEN Pleitewelle rollt durch Deutschland

Allein 313 Aktiengesellschaften sind insolvent, insgesamt sind wohl 134.000 Jobs betroffen. Die CDU/CSU nennt die Lage »Dramatische Schlussbilanz der Regierung«.

Die größte Pleitewelle in der Geschichte der Bundesrepublik hat im ersten Halbjahr 2002 in Deutschland rund 134.000 Arbeitsplätze vernichtet. Laut Statistischem Bundesamt ist neben der Konjunkturflaute das neue Insolvenzrecht dafür verantwortlich. Aber: Auch bei Aktiengesellschaften oder anderen Unternehmensformen, die nicht von der Gesetzesänderung betroffen sind, wurde ein Pleitenhöchststand erreicht. Die Union sprach von einer »dramatischen Schlussbilanz« der Bundesregierung.

Zunahme an allen Fronten

Die Statistiker in Wiesbaden berichteten am Mittwoch, allein von Aktiengesellschaften seien in den ersten sechs Monaten 313 Insolvenzen gezählt worden, das ist ebenfalls ein Höchststand. 9.548 Gesellschaften mit beschränkter Haftung meldeten ihre Pleite an und 1.561 Personengesellschaften. Insgesamt sei bei Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften ein Anstieg um zehn Prozent auf knapp 11.700 Fälle verzeichnet worden.

Fast 40.000 Pleiten im ersten Halbjahr

Alles in allem seien im ersten Halbjahr 39.700 Insolvenzen gemeldet worden, davon 18.500 von Unternehmen und 21.200 von übrigen Schuldnern. Die statistische Erfassung der Insolvenzen in Deutschland sei aber nach Änderung der Rechtslage Ende vergangenen Jahres erschwert. Die Änderungen der Insolvenzordnung hätten wesentlich zu einem starken Anstieg der Insolvenzzahlen von natürlichen Personen, von Einzelunternehmern und Angehörigen freier Berufe beigetragen.

Handel besonders betroffen

Das Statistische Bundesamt wird eine Aufteilung der Pleiten nach bestimmten Branchen erst in einigen Wochen vorlegen. Der Blick in das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen zeigt, welche Branchen hier besonders betroffen waren: Von insgesamt 7.769 Anträgen auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (plus 59 Prozent) waren 4.311 Unternehmen. Unter ihnen traf es vor allem den Handel (918 Insolvenzen, plus 36,4 Prozent), das Baugewerbe (923 Insolvenzen, plus 5,6 Prozent) sowie den Wirtschaftsbereich »Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung beweglicher Sachen, Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen« (865 Insolvenzen, plus 47,1 Prozent).

Mehr Förderungen für Mittelstand

CSU-Generalsekretär Thomas Goppel bezeichnete den Anstieg der Pleiten als eine dramatische Schlussbilanz der Bundesregierung. »Wir müssen Unternehmensgründungen erleichtern, den Mittelstand fördern, Bürokratie abbauen«, forderte Goppel am Mittwoch in München. Der CDU-Politiker Lothar Späth sagte, elf Tage vor der Wahl hole die Realität Bundeskanzler Gerhard Schröder gnadenlos ein. Der neue Pleitenrekord in Deutschland zeige, wie die Wirklichkeit aussehe.

Gründungsgeschehen gesamt betrachten

Dagegen erklärte das Bundesministerium für Finanzen, für die Beurteilung der Unternehmensentwicklung in einer Volkswirtschaft sei in erster Linie nicht die Zahl der Insolvenzen maßgeblich, »sondern das Gründungsgeschehen insgesamt«, also der Vergleich von Neugründungen und Liquidationen. »Von entscheidender Bedeutung für die Dynamik der deutschen Wirtschaft ist damit der Saldo, und der ist weiterhin deutlich positiv.« 2001 hätten 386.000 Liquidationen 455.000 Unternehmensgründungen gegenüber gestanden. Für 2002 sei mit einer vergleichbaren Größenordnung zu rechnen.