Empörung in Hamburg Hier stirbt ein Karstadt

  • von Dominik Brück
Sechs Standorte will Karstadt dichtmachen, darunter auch einen in Hamburg. Die Mitarbeiter sind geschockt - und die Stammkunden beklagen den Verlust eines beliebten Treffpunktes.

Vor der Karstadt-Filiale im Hamburger Stadtteil Billstedt bildet sich am Freitagmorgen eine kleine Menschentraube. Verwundert stehen viele Kunden vor verschlossenen Türen und heruntergelassenen Rollläden. "Am heutigen Tag öffnen wir unsere Filiale aufgrund einer Mitarbeiterversammlung erst gegen 10:30 Uhr", steht auf einem Schild im Schaufenster. Kurz darauf taucht ein Mitarbeiter hinter der Scheibe auf. Mit ernster Miene tauscht er das Schild aus, die Öffnungszeit wird auf 11 Uhr verschoben - offensichtlich gibt es mehr zu bereden als gedacht. Unter den Kunden vor der Tür verbreitet sich inzwischen die Nachricht über den Grund der Versammlung: Karstadt in Billstedt ist eine der sechs Filialen, die der Konzern Mitte 2015 schließen will.

Empörung bei den Kunden, Schweigen bei den Mitarbeitern

"Was soll denn aus den Mitarbeitern werden? Viele sind über 50 und finden doch nirgendwo mehr eine Anstellung", empört sich lautstark eine 56-Jährige, die hier Stammkundin ist und viele Angestellte kennt. Viele nicken, beklagen sich darüber, dass es immer nur um Geld ginge und keiner an die Menschen denke.

Als sich die Türen schließlich öffnen, bekommen die Mitarbeiter von ihren Kunden Schulterklopfen und hier und da ein paar aufmunternde Worte. Die Karstadt-Angestellten selbst hüllen sich in Schweigen. Der Schock scheint tief zu sitzen. Heute will niemand etwas zur geplanten Schließung sagen, die Presse wird freundlich gebeten zu gehen, damit das Tagesgeschäft normal anlaufen kann. Den Mitarbeitern bleibt nichts anderes übrig, als tapfer zu lächeln und Hosen, Töpfe und Schreibwaren zu verkaufen.

Doch nicht nur die Zukunft der Mitarbeiter ruft bei den Kunden Empörung hervor: Die Karstadt-Filiale ist hier mehr als bloßes Warenhaus, ein Treffpunkt besonders für viele ältere Menschen. Man trifft sich zum Frühstück oder Kaffeetrinken, plaudert und schlendert durch die Abteilungen. "Wir brauchen solche Läden, in denen man einfach mal durch ein buntes Sortiment stöbern kann. Schuhgeschäfte und Boutiquen gibt es doch genug", sagt Karl-Heinz Schlorke. Der 69-Jährige geht gerne bei Karstadt einkaufen und wird die regelmäßigen Ausflüge in die Filiale vermissen: "Wenn so etwas schließt, dann geht etwas verloren."

Einen Verlust erleben viele ältere Kunden in Billstedt aber auch, weil das Sortiment des nahegelegenen Warenhauses so im Stadtteil nicht mehr zu finden sein wird. "Wir brauchen hier so ein Angebot. Von Haushaltswaren bis zu Geschenken für die Enkel findet man hier alles", sagt Lenelies Staude. "Für eine Rolle Garn werden wir jetzt bis in die Innenstadt fahren müssen", so die 78-Jährige weiter. Ihr Mann sei nicht mehr so gut zu Fuß und könne daher diese weite Strecke nicht problemlos zurücklegen. Die Kommunalpolitik vor Ort will jetzt darum kämpfen die freiwerdenden Flächen mit einem für den Stadtteil passenden Nachmieter zu belegen. Karstadt retten kann hier aber niemand mehr.