Stell Dir vor, es ist Streik, und niemand nimmt Teil. Verdi hat mit seinem Arbeitskampf bei der Deutschen Lufthansa viel gewagt und bislang wenig gewonnen. Zumindest am Montagvormittag blieb das Chaos an den großen Flughäfen aus. In Hamburg und auch in Frankfurt war der Arbeitskampf kaum spürbar.
Die Deutsche Lufthansa ist offensichtlich gut auf den Streik vorbereitet - der angekündigte Notfallplan scheint zu funktionieren. Peinlich für Verdi und alle anderen Gewerkschaften in Deutschland. Nicht nur, weil Verdi mit diesem Streik wohl kaum den notwendigen Druck erzeugen kann, um die von ihr geforderte 9,8 Prozent mehr Lohn und Gehalt durchzusetzen.
Peinlich auch, weil die Gewerkschaften dabei sind, ihre Solidarität und ihre Schlagkraft zu verspielen. Bei der Lufthansa geht es nämlich um viel mehr, als nur mehr Geld für einen Teil der Beschäftigten. Es geht um die Vormachtstellung innerhalb des Unternehmens. Neben Verdi kämpfen zwei weitere Arbeitnehmervertretungen für ihre jeweilige Klientel um mehr Lohn und Gehalt bei Deutschlands größter Fluggesellschaft. Cockpit für die Piloten und Ufo für die Flugbegleiter.
Wer fordert mehr?
Die drei sind untereinander stark zerstritten und überbieten sich gegenseitig mit schwindelerregenden Lohnforderungen. Verdi muss sich bei der Lufthansa im Wesentlichen auf das Bodenpersonal verlassen, da sie in der Kabine nur schwach vertreten ist. Die Ufo-Mitglieder sind am Montag brav zur Arbeit gegangen, ihr Tarifvertrag läuft erst Ende des Jahres aus. Aber die Funktionäre von Ufo haben auch schon klar gemacht, welches Lohnplus sie für angemessen halten: 15 Prozent.
Eine solche Konstellation kann nur zum Schaden des Unternehmens und seiner Mitarbeiter sein. Den Gewerkschaften ist dies egal, ihnen geht es nur darum, dem jeweils anderen kurzfristig zu imponieren. Rationales Denken - welche Lohnforderung ist angesichts explodierender Benzinpreise und einer sich abschwächenden Wirtschaft vertretbar - spielt keine Rolle mehr.
Solidarität geht verloren
Schon der Arbeitskampf bei der Bahn und auch bei den Klinik-Ärzten hat gezeigt: Die Tariflandschaft in Deutschland steht vor einen grundlegenden Umbruch. Kleine Berufsverbände machen den Einheitsgewerkschaften Konkurrenz. Die Streikbereitschaft steigt, und die Solidarität innerhalb der Belegschaften steht auf dem Spiel.
Ein großer Vorteil des Standorts Deutschland war jedoch immer der soziale Frieden. Tarifverhandlungen wurden am Verhandlungstisch gelöst und nicht auf der Straße. Sollte sich dies mit der Zersplitterung der Gewerkschaften ändern, stehen viele Arbeitsplätze auf dem Spiel. Das kann keine Gewerkschaft wirklich wollen.