Rund 60 Prozent der Geschäfte in den deutschen Innenstädten wollen ab Samstag den gelockerten Ladenschluss nutzen und später schließen. Das ergab eine Umfrage des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE), die am Mittwoch in Berlin veröffentlicht wurde. Danach verlängern die meisten Läden in den Einkaufsstraßen ihre Öffnungszeiten allerdings nur von 16.00 auf 18.00 Uhr. Lediglich neun Prozent aller Geschäfte wollen den ganzen Spielraum nutzen und bis 20.00 Uhr geöffnet bleiben.
Weniger attraktiv sind die neuen Ladenschlusszeiten, die seit dem 1. Juni gelten, für Ladenbesitzer abseits der großen Einkaufsströme. In Vororten und Stadtteilen wollen der Umfrage zufolge daher auch nur 14 Prozent, in ländlichen Gemeinden 29 Prozent der Geschäfte länger öffnen. Insgesamt planen 42 Prozent der Betriebe in Deutschland, die neuen Ladenschlusszeiten zu nutzen. 58 Prozent halten ihre bisherigen Geschäftszeiten bei.
Noch keine tariflichen Regelungen
HDE-Präsident Hermann Franzen sprach von einer Entwicklung mit "Augenmaß". Problematisch sei allerdings, dass es mit der zuständigen Gewerkschaft ver.di noch keine Einigung über die so genannten Spätöffnungszuschläge gebe. Forderungen nach Zuschlägen von 50 oder 100 Prozent seien völlig unrealistisch. Er gehe deshalb davon aus, dass die längeren Öffnungszeiten "bis auf weiteres nicht durch tarifliche Regelungen flankiert werden und wir auf einen tariflosen Zustand zusteuern", sagte Franzen. "Die längere Samstagsöffnung kann ver.di nicht verhindern."
Eingeschränkter Optimismus
Die Läden erwarten sich von der Samstagsöffnung allerdings nicht zwangsläufig ein besseres Geschäft. Der Umfrage zufolge rechnet nur gut ein Viertel mit positiven Impulsen für die Umsatzentwicklung. Knapp die Hälfte ist generell optimistisch und setzt auf bessere Kundenbindung, höhere Kundenfrequenz und eine Stärkung des Standortes.
Was in Deutschland erst nach jahrelangem Ringen möglich wurde, ist für viele Europäer längst zur Gewohnheit geworden: an Samstagen bis in den Abend hinein einkaufen zu können. In den meisten Ländern sind Öffnungszeiten schon seit Jahren liberaler. Vor allem in Osteuropa gelten häufig gar keine Beschränkungen mehr.
Deutschlands Nachbarländer sind schon viel weiter
In den Nachbarländern Deutschlands gehört der Samstag längst zum regulären Einkaufstag. In Österreich haben die meisten Geschäfte bis 19 Uhr und auch an Sonntagen bis 17 Uhr auf. In der Schweiz gibt's Unterschiede zwischen den Kantonen, die meisten Läden dürfen jedoch samstags bis 17.30 Uhr verkaufen. Sonntags gelten ähnlich wie in Deutschland Sondergenehmigungen für Bäckereien sowie Geschäfte an Flughäfen und Bahnhöfen.
In Frankreich sind die Ladenöffnungszeiten weitgehend freigegeben. Von Montag bis Samstag dürfen die Läden rund um die Uhr öffnen - gemacht wird das allerdings selten. Die meisten Geschäfte haben zwischen 08.00 oder 09.00 Uhr bis 19.00 oder 20.00 Uhr geöffnet. Gerade kleinere Lebensmittelläden sehen ihre Chance aber manchmal auch später am Abend. Am Sonntagvormittag haben einige Supermärkte auf und öffnen als Ausgleich dafür montags etwas später. Lebensmittelläden und Bäckereien dürfen sonntags ohne Auflagen, andere Geschäfte unter Beachtung bestimmter Vorschriften öffnen.
In den Niederlanden öffnen vor allem in den Einkaufsvierteln größerer Städte alle Läden auch sonntags ihre Türen. Unter der Woche dürfen sie bis 22.00 Uhr auf haben. Auf dem Land schließen die meisten Geschäfte aber nach wie vor um 18.00 Uhr.
Fast ohne Einschränkungen im Norden und Osten Europas
Die nordeuropäischen Staaten haben ihre Ladenschlussgesetze vor einigen Jahren liberalisiert. In Norwegen hob die Regierung von Montag bis Samstag sämtliche Beschränkungen auf. An Sonntagen dürfen etwa Tankstellen, kleine Lebensmittelläden und Kioske ihre Waren anbieten. Auch in Großbritannien betrifft die einzige Beschränkung den Sonntag: Dann darf nur für sechs Stunden zwischen 10.00 und 18.00 Uhr verkauft werden.
Den deutschen Regelungen recht ähnlich: In Dänemark können Kunden schon seit Jahren an Samstagen zumindest bis 17.00 Uhr einkaufen. Kleine Lebensmittelgeschäfte dürfen auch an Sonn- und Feiertagen öffnen, die großen Kaufhäuser an zehn Sonntagen im Jahr.
Bereits 1972 wurden die Ladenschlussgesetze in Schweden völlig aufgehoben: Hier darf an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr eingekauft werden. Dasselbe gilt für Irland, aber auch für Tschechien, Kroatien und Albanien. In Ungarn bleiben die Läden lediglich an Feiertagen geschlossen.