Deutschlands Supermärkte tun sich schwer mit dem Internet. Kunden kaufen zwar Schuhe, Klamotten, Technik im Netz - aber bei Lebensmitteln ist das Angebot bisher übersichtlich. Vorreiter war bislang die Supermarktkette Rewe, die schon seit einigen Jahren mit Online-Bestellungen und der Lieferung von Supermarkt-Einkäufen experimentiert. Als erster Discounter wollte auch Lidl in diesem Bereich durchstarten. Doch jetzt zeigt sich: Online-Shopping will das Unternehmen aus Neckarsulm nicht mehr verfolgen. Und auch andere Modernisierungen stehen vor dem Aus.
Mit dem Wechsel an der Spitze werden erst kürzlich angestoßene Modernisierungsschritte deutlich eingedampft, berichtet die "Lebensmittelzeitung". Zum Februar hatte Lidl-Chef Sven Seidel die Konzern-Spitze verlassen - und wenig später wurde das sogenannte Click & Collect-Angebot eingestellt worden. Mit diesem Testlauf wollte Lidl eigentlich erste Schritt in den Onlinehandel unternehmen. Als Lidl Express hatte die Neckarsulmer den neuen Service noch Wochen zuvor angepriesen: Auf der Webseite lidl-express.de hätten Kunden ihren virtuellen Warenkorb gefüllt. Auch frische Ware wie Obst, Gemüse und Fleisch sollte angeboten werden. Im nächsten Schritt hätte der Kunden eine Express-Filiale und eine Zeitpunkt für die Abholung aussuchen können. Laut der "Lebensmittelzeitung" wäre dieser Service aber nicht kostenlos gewesen. Eine Servicegebühr von 2,99 Euro wäre fällig geworden, der Mindestbestellwert hätte bei 10 Euro liegen sollen.
Lidl macht Schluss, Amazon Fresh beginnt
Mit Lidl Express hätten Kunden zwar immer noch in Filialen gehen müssen, doch die Abholung wäre auch abseits der normalen Öffnungszeiten möglich gewesen. Ein rund 30 Quadratmeter großer Bereich vor dem eigentlichen Verkaufsraum sei dafür vorgesehen gewesen. Und das nicht nur in dem neuen Markt in Berlin-Schöneberg, der als Test-Filiale galt, sondern bei allen Neubau - und Modernisierungsvorhaben des Discounters.
Lidl stoppt nun die Strategie. Nur wenige Wochen vor dem angekündigten Start des Einkaufsdienstes Amazon Fresh, der die Branche in Aufregung versetzt, macht Lidl einen Schritt zurück. Zu viele und in Summe zu teure Projekte seien angestoßen worden, so die "Lebensmittelzeitung" über die Gründe des Discounters. Immer schöner, größer und teurer sei Lidl zuletzt geworden, zitiert das Branchenblatt sinngemäß den Firmenchef der Schwarz-Gruppe, zu der Lidl gehört, Klaus Gehrig.
Modernisierung wird abgespeckt
Nicht nur die Online-Strategie beerdigt der Discounter, auch der Umbau der Filialen wird deutlich abgespeckt. Eigentlich sollte die Läden des Discounters im Zuge eines milliardenschweren Modernisierungsprogramms schick gemacht werden. Breitere Gänge, höhere Decken, frisch gebrühter Kaffee im Eingangsbereich, Wickeltische, Kundentoiletten, viel Glas und Licht: Der Discounter wollte das Billigheimer-Image abschütteln. Rund drei Milliarden Euro wollte Lidl in den Umbau der rund 3200 Filialen stecken. Doch laut der "Lebensmittelzeitung" wird das neue Konzept vielerorts nicht in Reinform umgesetzt. Kunden dürfen also nicht überall generalüberholte Wohlfühl-Filialen erwarten, sondern mitunter eher nachgebesserte Standard-Läden. "Die specken kräftig ab", zitiert das Branchenblatt das Umfeld des Unternehmens.
Lidl will günstigeren Filial-Umbau
Lidl scheint eine neue Devise für den Umbau der Läden auszugeben: Aufwertung - ja, aber bitte nicht so teuer. Aufwendigere Filialkonzepte seien vom Standort abhängig. "Das rechnet sich nur an Standorten, die neu gebaut werden und die eine überdurchschnittliche Umsatzerwartung haben", so ein Insider zur "Lebensmittelzeitung". Offiziell heißt es bei Lidl dazu, dass der Discounter "flexible Filialkonzepte" entwickle.
