Mit diesem Vorschlag dürfte dem Deutschen Wirtschaftsinstitut (DIW) der Applaus von den billigen Plätzen sicher sein. Um Herr über die Schuldenkrise zu werden, sollen Reiche zehn Prozent ihres Vermögens zwangsweise den Eurostaaten zur Verfügung stellen. Zwar als Kredite, aber eben auch nicht freiwillig. Allein in Deutschland sollen so 230 Milliarden Euro zusammenkommen. Auf den ersten Blick hat die Idee durchaus Charme: Zum einen kommen klamme Haushalte in den Genuss eines stattlichen Geldsegens mittels privater Kreditgeber, zum anderen bleibt die Konsolidierung maroder Kassen nicht vordergründig am Durchschnittsverdiener hängen. Und, ganz ehrlich, wer freut sich nicht darüber, dass die "da oben" mit ihren prallgefüllten Konten endlich zur Kasse gebeten werden?
Doch der Plan des renommierten DIW ist plumper Populismus. Eine Idee übrigens, die auch vor denjenigen nicht Halt macht, die nicht wirklich reich sind oder sich zumindest nicht so fühlen. Denn laut DIW wird die Abgabe fällig "ab einem individuellen Nettovermögen von 250. 000 Euro beziehungsweise 500.000 Euro für Ehepaare". Sicher keine 0815-Besitztümer, aber auch keine Superreichen mit anzüglich-astronomischem Vermögen. Diese Bevölkerungsgruppe, so das DIW laut "Handelsblatt", muss damit rechnen, dass etwa auch auf ihre Immobilien zugegriffen würde.
Muss also ein Alleinstehender, der nach Jahren den Kredit für seine Eigentumswohnung im Wert von 250.001 Euro abbezahlt hat, dem Staat Geld leihen? Und dann vielleicht dafür ein neues Darlehen aufnehmen, das über eine Hypothek auf die Wohnung abgesichert wird? Das wäre absurd. Und Achtung! Wer als stolzer Eigenheimbesitzer mit relativ geringem Einkommen lautstark die DIW-Pläne beklatscht, könnte sich angesichts steigender Immobilienpreise bald genauso lautstark darüber beklagen. Nämlich dann, wenn seine - vielleicht vor Jahren geerbte - Bleibe plötzlich mehr als 250.000 Euro wert ist.
Kurzfristige Hilfe, die langfristig verpufft
Ob der einfache Häuslebauer nun davon betroffen ist oder auch nicht - entscheidend ist die Frage: Wem genau gibt der Vermögende, der, nebenbei gesagt, wie jeder andere Mensch auch ein Recht auf sein Eigentum hat, dann überhaupt sein Geld? In welcher Form? Und wer treibt es ein möglichst ohne mehr Bürokratie? Dem DIW schweben zwei Modelle vor: Eine einmalige Zwangsabgabe, die nach und nach zu entrichten wäre. Vielleicht ließe sich der eine oder andere Wohlhabende sogar dazu überreden. Allerdings nur, wenn er wüsste, dass sein Geld einen, wie es so schön heißt, nachhaltigen Effekt hat.
Böse gesagt: Ein griechischer Unternehmer kann bislang nicht darauf vertrauen, dass seine Millionen dem Staat wirklich aus der Patsche helfen und er nicht drei Jahre später wieder einen Vollstreckungsbescheid vom Finanzamt bekommt oder im Falle einer Pleite sein Vermögen verliert. Solange die Euroländer ihre Schulden nicht in den Griff kriegen, werden Zwangsabgaben nur kurzfristig helfen, langfristig aber auch nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein sein. Die Staaten bekämen lediglich einen Aufschub. Entscheidend aber ist, das Übel der Staatsverschuldung an der Wurzel zu packen und Reformen durchzusetzen.
Ähnliches gilt beim zweiten Gedankenspiel des DIW der Zwangsanleihe. Die Reichen würden dem Staat Geld zur Verfügung stellen. Im Idealfall, so die Ökonomen, würde er es ihnen dann mit Zins- und Zinseszins zurückzahlen. Nun sind Anleihen aber nichts anderes als neue Schulden. Und sie sind der Grund, warum das Vertrauen der Gläubiger in die künftige Zahlungsfähigkeit von Griechenland, Spanien und anderen Ländern schwer erschüttert ist, sie sich also nur noch mit horrenden Zinsen frisches Kapital besorgen können. Würden die Reichen und Superreichen dem Staat vertrauen, hätten sie Geld ohnehin längst in seine Papiere investiert. Dass man sie jetzt dazu zwingen will, ist im Grunde das Eingeständnis, dass jegliche Reformbemühungen gescheitert sind.
Deutschland zeigt: Es geht auch ohne Hilfe der Reichen
Dabei zeigt Haushaltsstreber Deutschland, dass der Markt durchaus bereit ist, Staaten a) Geld zu leihen und b) zudem noch zu extrem günstigen Zinsen. Genauer gesagt: zum Nulltarif. Erst Ende Mai hat sich die Bundesrepublik 4,5 Milliarden Euro geliehen und zahlt den Investoren dafür faktisch nichts. Null Prozent bei einer Laufzeit von zweieinhalb Jahren. Das heißt: Trotz eines gigantischen Schuldenbergs hat es Deutschland zurzeit nicht nötig, reiche Bürger zwangszuenteignen.
In den Krisenstaaten wie Griechenland dagegen sieht die Lage anders aus. Hier haben sich einige Eliten jahrelang auch auf Kosten des Volkes bereichert. Reeder zum Beispiel zahlen dort bis heute keine Einkommensteuer, während dem Normalbürger immer höhere Abgaben zugemutet werden. Die Schwerreichen zur Sanierung der maroden Kasse heranzuziehen, klingt in diesem Fall nach ausgleichender Gerechtigkeit. Doch leider schafft es der griechische Staat noch nicht einmal, die ihm jetzt schon zustehenden Steuern einzutreiben. Wie soll er dann erst an das extrem schüchterne und flüchtige Kapital der Wohlsituierten kommen? Wer eine Menge Geld hat, weiß eben auch eine Menge darüber, wie man es dem Zugriff des Staates entzieht.
Sollte das DIW seine gewagte Idee durchsetzen, wäre Kapitalflucht im ganz großen Stil nicht nur ein Problem Griechenlands, sondern aller Euroländer. Und dann stehen die angeschlagenen Staaten noch klammer da als ohnehin schon.