Normalerweise sind sich alle einig, wenn jemandem ein Fehler passiert: In den sozialen Medien wird schön draufgehauen. Der Satz "Jedem das Seine" in einem Modeprospekt hätte dafür einen Anlass geboten. Doch offenbar wird er noch von zu vielen Menschen verwendet.
Am Pfingstwochenende hat die Kaufhauskette Peek & Cloppenburg einen Katalog mit Sommermode herausgebracht. Auf einer Doppelseite werden darin verschiedene weiße Hemden beworben, mit Krawatten, Fliege und offenem Kragen. "Jedem das Seine" lautet die Überschrift. Gemeint ist: Soll doch jeder sein Hemd so tragen, wie er will. Der Satz geht ursprünglich auf den griechischen Philosophen Platon zurück, der ihn zum Thema Gerechtigkeit geprägt hat. "Jeder soll tun, was er kann", hieß das damals, Lateinschüler kennen es als "Suum cuique".
Und dann waren da noch die Nazis. Die haben sich ja gerne in alten Kulturen bedient und so manchem eine neue Bedeutung verliehen. So auch "Jedem das Seine", die drei Worte prangen noch immer von innen lesbar über dem Tor des KZs in Buchenwald. Dort sollten sie wohl für "Jeder bekommt das, was er verdient" stehen. Eine zynische Verspottung der Insassen.
Der geschichtliche Hintergrund ist vielen unbekannt
Manche von den Nationalsozialisten verwendeten Sätze und Symbole sind so stark mit dem Dritten Reich verbunden, dass sie wohl nie wieder unbefangen verwendet werden. Zu eindeutig sind "Arbeit macht frei" oder das Hakenkreuz mit der rechten Ideologie und ihren Gräueltaten verknüpft. Die wenigsten Europäer sehen ein Hakenkreuz und denken dabei eine Swastika, ursprünglich ein religiöses Glückssymbol.
<blockquote class="twitter-tweet" data-width="540"><p lang="de" dir="ltr">Peek & Cloppenburg bewirbt Mode mit Slogan "Jedem das Seine": <a href="https://t.co/nmhcoQ8e5X">https://t.co/nmhcoQ8e5X</a> <a href="https://t.co/QQ15UddgHG">pic.twitter.com/QQ15UddgHG</a></p>— Sächsische.de (@saechsischeDE) <a href="https://twitter.com/saechsischeDE/status/999254107859898368?ref_src=twsrc%5Etfw">May 23, 2018</a></blockquote>
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Anders scheint es vielen Menschen mit "Jedem das Seine" zu gehen. Bei Twitter bekennen sich viele User dazu, den Spruch nie mit den Nazis in Zusammenhang gebracht zu haben und ihn sogar immer noch ab und an zu verwenden. Wer kein Historiker ist und vielleicht im Geschichtsunterricht mal nicht aufgepasst hat, kennt die Redewendung offenbar nur aus anderem Kontext.
<blockquote class="twitter-tweet" data-width="540"><p lang="de" dir="ltr">"Jedem das Seine" ist ein Satz aus der Nazi-Zeit? Das wusste nicht einmal ich. Und ich bilde mir ein da ein wenig gebildet zu sein... <a href="https://t.co/QaknUg91Re">https://t.co/QaknUg91Re</a></p>— Mathias | @donegal72.bsky.social (@Donegal72) <a href="https://twitter.com/Donegal72/status/999358760509497350?ref_src=twsrc%5Etfw">May 23, 2018</a></blockquote>
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<blockquote class="twitter-tweet" data-width="540"><p lang="de" dir="ltr">Gibt's denn nicht wichtigere Dinge worüber man sich aufregen kann?? "Jedem das Seine" ist doch eine gebräuchliche Redewendung? Es kommt halt auf den Zusammenhang an. Die Nazis haben übrigens deutsch gesprochen, ist das jetzt auch verboten?<a href="https://twitter.com/hashtag/sz?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#sz</a> <a href="https://twitter.com/hashtag/jedem_das_seine?src=hash&ref_src=twsrc%5Etfw">#jedem_das_seine</a></p>— Jonathan Bubaki (@JBubaki) <a href="https://twitter.com/JBubaki/status/999371696367964161?ref_src=twsrc%5Etfw">May 23, 2018</a></blockquote>
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Peek & Cloppenburg hat sich mittlerweile entschuldigt, aus dem Online-Katalog wurde die Doppelseite gelöscht. Es ist nicht das erste Mal, dass "Jedem das Seine" in der Werbung verwendet wurde: Vor rund 15 Jahren bewarb auch der Handyhersteller Nokia die Vielfalt seiner Mobiltelefone mit dem Satz.
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Sucht man bei Twitter "Jedem das Seine", bestätigt sich der Eindruck, dass der Satz von vielen Usern ganz selbstverständlich verwendet wird. Vielleicht kann dieser Fast-Shitstorm nun dazu beitragen, dass sich das ändert. Auch bei Nicht-Historikern und Werbetextern.