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C. Tauzher: Die Pubertäterin Mathearbeit oder Schlussverkauf? Eine einfache Rechnung

Eine Frau freut sich über Klamottenschlussverkauf
Mathearbeit oder Schlussverkauf - man muss halt Prioritäten setzen (Symbolbild)
© Shuttermon / Getty Images
Die Tochter hat eine Mathearbeit in den Sand gesetzt. Obwohl sie versprochen hatte, ordentlich zu lernen. Die Erklärung für den Reinfall findet Christiane Tauzher in einem Bekleidungsgeschäft - aber nicht bei den Teenieklamotten.

Bevor die Wombi alle Funktionen als gefällige und umgängliche Tochter niederlegte,  gehörte sie zu der Sorte von Kindern, deren viele Talente jedermann verblüfften: Klettern, Schwimmen, Bogen schießen, Klavierspielen, Kinderyoga, Schach, Malen, Singen, Eislaufen. Alles geschah mit einer wunderbaren Leichtigkeit. Lehrer und Trainer schwärmten vom Fleiß und von der Begabung unseres großartigen Kindes, und der Olaf und ich schliefen wegen unserer vor stolz geschwellten Brüste nur noch auf dem Rücken. Heute schlafen wir wieder auf dem Bauch.

Christiane Tauzher: Die Pubertäterin

Seit die Pubertät unsere Tochter, die Wombi, kurz nach ihrem 13. Geburtstag in ihre Gewalt bekommen hat, halten wir die Fenster geschlossen, damit die Nachbarn nicht die Polizei rufen. Die Pubertäterin ist laut und unberechenbar, wenn sie nicht gerade wie ein Wombat schläft oder isst – was sie zum Glück oft tut.

Die Geschichten, die ich – Journalistin, 41, aus Wien, verheiratet mit Olaf, 46 – hier erzähle, handeln natürlich nicht von der Pubertäterin in meiner Familie. Nein. Sie entspringen meiner blühenden Fantasie oder stammen aus anderen Familien. Dort geht es nämlich arg zu – in den anderen Familien ...

Die Wombi hat ihre Talente wie lästigen Ballast abgeworfen, um mehr Raum für SES zu schaffen. SES - Schlafen, Essen, Schminken - ist zeitintensiv. Nur eine Begabung ließ sich nicht verdrängen - das Singen.

Einmal in der Woche verzichtet die Wombi auf ihren Nachmittagsschlaf, fährt eine Stunde öffentlich in die Innenstadt, um mit anderen Wombis in einem Chor zu singen und um hinterher einen Chai Latte Karamell bei Starbucks zu tanken. Nicht in irgendeinem Chor, sondern im Wombi-Chor der Wiener Staatsoper. Wer in die Reihen der "Opera-Teens" aufgenommen wurde, hat das Zeug dazu, die nächste Anna Netrebko zu werden. Kurz gesagt: Es ist verdammt cool ein Opern-Wombi mit einem Chai Latte in der Hand zu sein.

Niemals beschwerte sich die Wombi über den langen Weg vom Stadtrand, wo wir Hinterwäldler wohnen, in die City, wo Starbucks sein Flagship hat. Auch wenn für eine Aufführung intensiv, mehrmals die Woche geprobt wurde, murrte und knurrte sie nicht.

Es war vor etwa einem Jahr, als eine Mathematik-Schularbeit anstand. Die Wombi versicherte mir, dass es in der Opernschule ein Studierzimmer gebe und dass sie während der Pausen die Übungsbeispiele rechnen würde. Mir wäre es lieber gewesen, sie hätte ein paar Proben ausgesetzt, um sich zuhause unter meinem Auge auf die Schularbeit vorbereiten zu können. Doch schlau wie die Wombi war, ließ sie die Regieassistentin anrufen, die mir erklärte, wie wichtig die Anwesenheit jedes Mitwirkenden bei JEDER Probe sei. Die Wombi, die einen Fischer sang, war also total wichtig und durfte nicht fehlen.

Die Schularbeit ging in die Hose. Natürlich schob die Wombi alles auf die Oper und dass sie dauernd im Einsatz gewesen sei. Die Übungsblätter fand ich einige Tage später im Altpapier. Von hundert Beispielen hatte sie sieben gerechnet.

"Wieso hast du nicht mehr geübt", fragte ich sie, "du hättest doch auch in der Straßenbahn lernen können." Die Wombi versicherte mir, dass sie top vorbereitet gewesen sei, dass aber der gemeine Lehrer lauter unlösbare Beispiele zur Schularbeit gegeben habe. Ein Anruf bei der Mutter von Konstantin bestätigte das Gegenteil. Die Schularbeit war besonders gut ausgefallen. Es gab neun Einser. 

"Was hast du in den Pausen gemacht?"

"Du hast nicht einmal ein Zehntel der Übungsbeispiele gerechnet", sagte ich, "was hast du in den Pausen zwischen den Proben gemacht?"

Wombis Augen verengten sich zu Schlitzen. "Spionierst du mir nach?", fauchte sie. "Wenn Du das Ausleeren der Altpapierkiste als Spionageakt bezeichnen möchtest, dann ja." Die Wombi verschränkte die Arme. "Ich war mit meinen Freundinnen bei Peek&Cloppenburg. Wir haben Ballkleider probiert. Es war Ausverkauf."

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"Ich sage es jetzt zum allerallerletzten Mal! Storys aus dem fast perfekten Alltag einer Mutter", von Christiane Tauzher, Goldegg Verlag, 14,95 Euro

"Wieso?", fragte ich. "Wieso nicht", antwortete die Wombi.

Ich: "Du bist 13. Du gehst in absehbarer Zeit auf keinen Ball. Und was hat das überhaupt mit dem Ausverkauf zu tun?"

Wombi: Tiefer Seufzer. "Das verstehst du nicht."

Ich: "Es waren zehn Proben vor der Schularbeit. Und da hast du nur sieben Übungsbeispiele geschafft. Ihr werdet doch nicht jeden Tag bei den Ballkleidern gewesen sein?"

Wombi: "Na ja, es waren echt viele Ballkleider."

Ich: Tiefer Seufzer. "Ich verstehe das nicht."

Wombi: "Aber ich weiß jetzt, dass mir Grün am besten steht. Apricot passt überhaupt nicht zu meinen Haaren. Und Schwarz ist zu hart für mich."

Ach.

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