C. Tauzher: Die Pubertäterin Die Teenagerin ist erwachsen. Wir (und diese Kolumne) verabschieden uns

Christiane Tauzher und ihre Tochter
Christine Tauzher muss feststellen: Die Tochter (r.) ist erwachsen geworden. Gemeinsam Quatsch machen geht natürlich immer
© privat
Auch die Pubertät hat irgendwann ein Ende. Christiane Tauzher blickt in ihrer letzten "Pubertäterin"-Kolumne auf diese ganz besondere Zeit zurück.

Die Anzeichen häuften sich, und spätestens als meine Tochter ihre Blusen wie selbstverständlich selber bügelte, war mir klar, dass ich so nicht weitermachen konnte.

Es wurde alles immer drastischer: Freiwillig auf den kleinen Bruder aufpassen, selber die Wäsche aufhängen, einen Wochenendjob suchen, die leeren Shampoo-Flaschen zum Altplastik bringen, dem Hund die Zähne putzen, bei unter Null Grad Stiefel anstelle von Sneakers anziehen, eine Mütze aufsetzen, den Geschirrspüler ausräumen, um 23 Uhr schlafen gehen, weil "der Körper im Winter mehr Schlaf braucht".  

Voriges Wochenende schlich ich nach 23.30 Uhr in ihr Zimmer, um sie beim netflixen zu "ertappen" und wurde von Dunkelheit und gleichmäßigen Atemzügen überrascht. Sie hatte gemacht, was sie angekündigt hatte. Sie schlief. Es war unglaublich. Ich stand vor ihrem Bett und betrachtete sie. Diesen perfekten, wunderbaren, großen Menschen, der so geworden war, wie er es wollte.

Ich hatte als Teenager vorrangig versucht, meinen Eltern zu gefallen, ihnen Freude zu bereiten, sie stolz zu machen. Mich selbst hinterfragt und mich und meine Bedürfnisse kennengelernt, habe ich erst viel später.

Es war für meine Tochter sicher anstrengend, sich meinen Regeln und Geboten zu widersetzen, sie anzuzweifeln und zu boykottieren. Sich seinen eigenen Weg durch das Dickicht zu bahnen, ist beschwerlicher als dem Vorgetrampelten zu folgen.

Sie war immer mit gezückter Machete unterwegs, und oft stellte ich mich ihr in den Weg und bekam ein paar Schnitte ab. Sie sind immer schnell verheilt, taten aber weh, unmittelbar nachdem sie sie mir zugefügt hatte.

Wo ist mein kleines liebes Mädchen geblieben?

Würde ich heute behaupten, wir hätten die Pubertät gemeinsam gut gemeistert, wäre es gelogen. Ich tat mir oft leid, raufte mir die Haare, beweinte den Verlust meines lieben kleinen Mädchens, das die Hormone vertrieben hatten, fühlte mich ausgesperrt, überflüssig, hintergangen und todtraurig.

Wir drifteten immer weiter auseinander. Wie ein großes Schiff, das ein kleines Beiboot im Schlepptau hat. Manchmal fuhr das Beiboot in die entgegengesetzte Richtung, weiter weg, immer, immer weiter. Einige Male kam es außer Sichtweite. Aber das Tau, das das Schiff und das Boot verband, hielt. Das große Schiff hätte das Tau jederzeit einholen können, um das Boot zu sich zurückzuziehen. Das Boot hätte das Tau jederzeit kappen und in die große Freiheit schippern können. Aber keiner von beiden berührte das Tau. Es war einfach immer da.

Meine Pubertäterin ist jetzt eine junge Erwachsene, es gibt keinen Stoff mehr diese Kolumne zu füllen. Nach viereinhalb Jahren bei stern.de sage ich "Adieu" und "Danke."

Mein Rat an alle Eltern, die Angst davor haben ihre Kinder an die Pubertät zu verlieren:

Auf das Tau zwischen Schiff und Boot vertrauen. Es hält ein Leben lang.

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