Schon 45 Großinsolvenzen Die größten Pleiten 2023: Diese Branchen sind besonders betroffen

Modeketten waren zuletzt besonders von Insolvenzen betroffen
Modeketten waren zuletzt besonders von Insolvenzen betroffen
© Imago Images
Pleitewelle in der deutschen Wirtschaft: Die Zahl der Großinsolvenzen ist 2023 sprunghaft gestiegen. Eine Studie zeigt, in welchen Branchen es besonders viele Fälle gibt.

Das wohl prominenteste Symbol der aktuellen Pleitewelle steht in Hamburg. An den Elbbrücken, dem Tor zur Hansestadt, ragt der unvollendete Elbtower in die Höhe. Die Zukunft des Prestigeprojekts ist aktuell ungewiss. Die Bauarbeiten ruhen seit Wochen, am Freitag musste die federführende Deutschlandtochter des Signa-Konzerns am Amtsgericht Berlin-Charlottenburg Insolvenz anmelden. 

Es ist nicht die erste spektakulärste Pleite in diesem Jahr. Laut einer aktuellen Studie des Kreditversicherers Allianz Trade ist die Zahl der Großinsolvenzen von Unternehmen mit mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz zuletzt sprunghaft gestiegen. Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres zählten die Allianz-Experten 45 Großpleiten in der deutschen Wirtschaft. Im selben Zeitraum 2022 waren es nur 26 Fälle, 2021 sogar nur 17 Fälle gewesen. "Die großen Insolvenzen sind in diesem Jahr zurückgekehrt und nehmen Kurs auf den Höchststand aus 2020", sagt Maxim Lemerle, Leiter Insolvenzforschung bei Allianz Trade. Im damaligen Corona-Jahr waren insgesamt 58 große Firmen in die Illiquidität gerutscht.

Modebranche und Krankenhäuser betroffen

Am heftigsten trifft die Pleitewelle die Modebranche. 12 der 45 Großinsolvenzen dieses Jahres entfallen auf Textilunternehmen und Modeeinzelhändler. Darunter sind die Schwergewichte Peek & Cloppenburg, der Schuhriese Reno oder die Traditionsmarke Gerry Weber. Auch weitere bekannte Branchennamen wie Madeleine, Deerberg oder Hallhuber gingen in die Insolvenz. Filialen müssen schließen, Mitarbeiter gehen. Einige Firmen versuchen, sich im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens neu aufzustellen, andere machen ganz dicht.

Finanziell stark unter Druck stehen auch viele Krankenhäuser. Sechs Großinsolvenzen entfallen laut Studie auf Kliniken. Weitere dürften nur deshalb nicht in der Statistik auftauchen, weil sie knapp unter der für die Erfassung maßgeblichen Umsatzschwelle liegen. Die Allianz-Experten verweisen in dem Zusammenhang auf ein Lagebild des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI), demzufolge zwei Drittel der deutschen Kliniken ihre finanzielle Lage als schlecht oder sehr schlecht bezeichneten.

Große Firmenpleiten gab es in diesem Jahr zudem in der Industrie. Fünf davon gab es im Maschinenbau, vier in der Metall- und drei in der Baubranche. Ein prominentes Beispiel ist hier der württembergische Autozulieferer Allgaier, der im Juni Insolvenz anmelden musste. Allgaier war erst im Vorjahr an einen chinesischen Investor verkauft worden.

Für Aufsehen sorgte auch die Insolvenzmeldung des Telefonherstellers Gigaset im September. Das Bocholter Unternehmen beschäftigte zuletzt 850 Mitarbeitende und setzte 240 Millionen Euro im Jahr um. Zu den größten Pleiten 2023 zählt zudem die Insolvenz des Pforzheimer Versandhauses Klingel, das 2017 noch eine Milliarde Euro umsetzte. Nach dem diesjährigen Weihnachtsgeschäft soll Ende Januar 2024 der Betrieb eingestellt werden. Der Warenhändler, dessen Anfänge ins Jahr 1920 zurückreichen, beschäftigte zuletzt noch rund 1300 Mitarbeitende.

Insolvenzfälle steigen insgesamt – aber von einem niedrigen Niveau aus

Betrachtet man nicht nur die großen, sondern alle Unternehmen, so gibt es laut Allianz Trade ebenfalls einen Anstieg der Insolvenzen, aber noch auf niedrigerem Niveau. Die meisten Insolvenzfälle verzeichnet die Baubranche, gefolgt von Handelsunternehmen und dem Dienstleistungssektor. Für 2024 erwarten die Experten zudem, dass Gastronomen zusätzliche Probleme bekommen könnten, da die Mehrwertsteuer in der Gastronomie wieder auf den normalen Satz erhöht wird. "Viele deutsche Unternehmen sind auch in diesen schwierigen Zeiten gut aufgestellt und haben die notwendigen Puffer – aber eben längst nicht alle", sagt Milo Bogaerts, Deutschlandchef von Allianz Trade. "Wenn Wackelkandidaten dann beispielsweise noch Kredite zurückzahlen oder refinanzieren müssen, beispielsweise aus der Corona-Zeit, kann es schnell kippen."

Unterm Strich rechnen die Kreditexperten damit, dass die Zahl aller Insolvenzen in diesem Jahr um 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigt. "Das ist der stärkste Anstieg seit der europäischen Schuldenkrise – aber von niedrigem Niveau kommend", schreiben die Allianz-Experten. Die Zahl der Insolvenzen bewege sich damit immer noch unterhalb der Größenordnung von vor der Pandemie. Dieses werde voraussichtlich im kommenden Jahr überschritten. In der Corona-Zeit war die Zahl der Pleiten aufgrund von staatlichen Hilfszahlungen und einer Lockerung des Insolvenzrechts zurückgegangen. Die Insolvenzexperten sprechen daher auch von einer "Normalisierung" des Insolvenzgeschehens.