Die Zahl der Pleiten im deutschen Einzelhandel ist so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Zwischen August 2024 und August 2025 registrierte Allianz Trade 2490 Insolvenzen. Das sei der höchste Stand seit Oktober 2016, teilte der Kreditversicherer mit. In den zwölf Monaten zuvor lag die Zahl bei 2520.
Hierzulande waren zuletzt unter anderem der Schuhhändler Görtz, der Modehersteller Gerry Weber und der Herrenausstatter Wormland betroffen. Die Modekette Esprit schloss in diesem Jahr insolvenzbedingt alle Geschäfte. Der Dekohändler Depot und der Discounter Kodi haben ihre Filialnetze deutlich verkleinert.
Experte erwartet noch weiter steigende Insolvenzzahlen
Guillaume Dejean, Branchenexperte von Allianz Trade, erwartet eine anhaltende Konsolidierung im Einzelhandel und weiter steigende Insolvenzzahlen – allerdings in abgeschwächtem Tempo. Schon in den vergangenen Monaten zeichnete sich diese Entwicklung ab. Im August 2025 stiegen die Zahlen im Jahresvergleich um 13 Prozent, ein Jahr zuvor noch um 20 Prozent. Die Experten führen dies auf etwas bessere wirtschaftliche Aussichten zurück.
Diese deutschen Traditionsfirmen gingen pleite – so steht es heute um sie
Der Hersteller des berühmten Kettcars muss endgültig schließen und stellt die Fertigung ein. Von den rund 550 Mitarbeitern verbleiben nur noch 150 Menschen, um die Produktion abzuwickeln. Im Juli 2019 musste Kettler erneut nach 2018 und 2015 Insolvenz anmelden. Nach der ersten Pleite 2015 wurde die Fahrradsparte abgespalten und von ZEG übernommen, das nach wie vor Kettler-Aluräder verkauft. Kettler selbst startete 2016 den Neuanfang, musste aber im Juli 2018 erneut Insolvenz anmelden. Diesmal verhinderte der Einstieg des Investors Lafayette das endgültige Ende der Traditionsfirma. Kettler verkauft heute vor allem Fitnessgeräte und Gartenmöbel. 2020 soll eigentlich ein neues Kettcar-Modell kommen.
Der Einzelhandel gehört in Europa zu den besonders belasteten Branchen. Hoffnung macht der Blick ins Ausland: In den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich, Norwegen und Dänemark sank die Zahl der Insolvenzen laut Allianz Trade zuletzt teils deutlich.
"Der Einzelhandel kämpft noch immer mit den tiefgreifenden Veränderungen seines Geschäftsmodells, die während der Pandemie begonnen haben", sagt Dejean. Um dem verstärkten Wettbewerb durch große Online-Marktplätze standzuhalten, müssten Einzelhändler unter anderem verstärkt in digitale Kanäle und moderne Technik investieren. Vor allem kleinere Akteure könnten dies oft kaum stemmen. "Das ist ein Kampf, der teilweise an David gegen Goliath erinnert." Einige Textilhändler hingen bereits "am seidenen Faden".