Die Rechtsanwältin Aliki Busse geht auf der Konsumgütermesse Ambiente in Frankfurt nur wenige Meter durch die Halle 6 - und schon hat sie einen Produktpiraten ertappt. Die Küchenschüsseln mit dem auffälligen Metallglanz und dem glatten Rand sehen haargenau aus wie Produkte ihres Mandanten, der Firma Rösle aus dem bayerischen Marktoberdorf. Auf Busses Wink beschlagnahmen die Zollbeamten die Waren, mit denen der Händler aus Indien zumindest auf dieser Messe keine Geschäfte mehr machen kann - ein Nadelstich im Kampf gegen die weltweite Abkupferei.
"Es ist schon extrem wichtig, auf der Ambiente zu sein, weil hier die Geschäfte gemacht werden", sagt der Anwalt von Alessi, Martin Helmer. Das Emblem des italienischen Designhauses, ein kleines Männchen, wird von den Produktpiraten in so ziemlich alles gestanzt, was man im Haushalt benutzen kann. Am Stand eines ebenfalls aus Indien stammenden Unternehmens findet die Zolltruppe einen Metallteller mit dem Männchen, den Alessi so gar nicht im Sortiment hat. Da das Symbol aber als Marke geschützt ist, wandert die Platte ebenfalls in die Zollkartons. Rund 30 einschlägige Unternehmen haben die Alessi-Anwälte auf ihrer Sünderliste für die Messe, fast wirken sie ein bisschen enttäuscht, wenn sie auf einem Stand nichts finden.
"Dann machen wir halt andere Sachen"
Wer nicht nachgemacht wird, hat bei der Produktentwicklung etwas falsch gemacht, könnte man im Zeitalter der globalisierten Warenströme sagen. Zum Auftakt der weltgrößten Konsumgütermesse am Freitag stellten die Zöllner unter anderem 250 Bestecke mit der in Deutschland geschützten Aufschrift "Solingen" sicher, nachgemachte Bodum-Kaffeebereiter fanden sie ebenso wie Könitz-Kaffeetassen und Porzellan nach Ideen von Villeroy & Boch. "Wir haben gut zu tun", sagt Kirsten Jung vom Hauptzollamt Darmstadt zufrieden.
"Der Profit steht in keinem Verhältnis zum Risiko, erwischt zu werden", kritisiert der Deutsche Markenverband in Wiesbaden. Auf etwa 30 Milliarden Euro schätzt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag den jährlichen Schaden für die deutsche Wirtschaft, die EU-Kommission beziffert den weltweiten Schaden gar auf 200 bis 300 Milliarden Euro.
Die ertappten Geschäftsleute auf der Ambiente zucken eher mit den Achseln, als dass sie allzu großes Schuldbewusstsein an den Tag legen. "Wir sind das erste Mal hier. In Indien sind diese Töpfe sehr verbreitet", sagt etwa der Inder Rajesh Jain. Er vertritt in Frankfurt die Firma Mangrove eSys Distribution Ltd., bei der die Anwältin Busse Töpfe nach Rösle-Muster gesichtet hat. Ein anderer bleibt trotz Zoll-Visite cool: "Dann machen wir halt andere Sachen."
"Wir finden jedes Jahr bis zu zehn neue Plagiate"
In ihren jeweiligen Heimatländern können sich Inder, Chinesen, aber auch zum Beispiel Italiener recht sicher fühlen vor juristischen Nachstellungen der Rechteinhaber. "Die Fälscher strafrechtlich zu verfolgen, ist extrem schwierig und kostenaufwendig", sagt Thorsten Muntermann, der im Auftrag des südhessischen Kunststoff-Herstellers Koziol unterwegs ist. Die bunten Zeitgeist-Produkte aus dem Odenwald sind regelmäßig als Originale bei der Verleihung des Schmähpreises "Plagiarius" dabei, der am Freitag auf der Ambiente vergeben wurde. "Wir verfolgen das seit etwa fünf Jahren sehr aktiv und finden jedes Jahr bis zu zehn neue Plagiate", sagt Muntermann.
Koziol beschränkt seine juristischen Anstrengungen auf rechtssichere Staaten: In Frankreich hat die Firma ein Urteil gegen einen Händler erwirkt. Für die übrigen Herkunftsländer bleibt der Versuch, auf den Messen den Handel zu verhindern und mit ständigen Kontrollen die Piraten abzuschrecken.
Christian Ebner/DPA