Der Rotstift im Gesundheitswesen sorgt für Freude bei den deutschen Reformhäusern. Sie hoffen dadurch auf mehr Geschäft und einen Weg aus der Flaute. "Die Gesundheitsreform wird die Verbraucher dazu bringen, mehr Geld in die Vorbeugung von Krankheiten durch gesunde Ernährung zu stecken", ist der Vorstand der Reformhäuser-Vereinigung neuform, Peter Gründken, optimistisch. Daher sollen Angebot und Beratung bei Nahrungsergänzungsmitteln wie Vitamine oder Mineralstoffe ausgebaut werden. Auch Handelsexperten halten diesen Weg für aussichtsreich, um den Abwärtstrend bei den Umsätzen zu stoppen.
Hohe Gewinnspanne bei Nahrungsergänzung
Bei Mineralstoffen und Vitaminen ist für die Reformhäuser die Gewinnspanne besonders hoch. "Hier werden wir in diesem Jahr vor allem investieren", betonte Gründken. In diesem Bereich könnte durch gezielte Beratung und ein größeres Angebot noch einiges an Potenzial gehoben werden.
Alternative Medikamente locken
Noch mehr Möglichkeiten für die Reformhäuser sieht die Einzelhandelsbeobachterin Carola Hunger von der Commerzbank. "Vor dem Hintergrund der Gesundheitsreform sind neben Nahrungsergänzungsmitteln auch alternative Medikamentenangebote ein Riesenmarkt." Im Vergleich zu den Apotheken seien die Produkte in Reformhäusern teilweise bis zu 20 Prozent günstiger. Wenn Verbraucher Arzneien nicht mehr erstattet bekämen, werde der Preisvergleich zu mehr Zulauf bei Reformhäusern oder Drogerien führen.
Alterung der Bevölkerung
Darüber hinaus setzt die etwas angestaubte Einzelhandelssparte auf die Alterung der Bevölkerung. Im Durchschnitt gehen erst Verbraucher, die älter als 35 Jahre sind, ins Reformhaus. Daher dürfte der Kundenstamm künftig wachsen.
Gutes Wetter schadet
Bislang setzte sich die Talfahrt bei den rund 2.200 Geschäften fort. In der 1. Jahreshälfte 2003 gingen die Erlöse erneut um zwei Prozent auf rund 300 Millionen Euro zurück. "Die Verunsicherung der Verbraucher hält an, auch das gute Wetter hat sich negativ bemerkbar gemacht", begründete der neuform-Vorstand. Die Anbieter von Lebensmitteln, Naturarzneimitteln, Naturkosmetik und Nahrungsergänzungsmitteln stehen schlechter da als die Einzelhandelsbranche insgesamt. Diese setzte in den ersten fünf Monaten lediglich 0,2 Prozent weniger um.
Lebensmittelskandale wirken nach
2002 war der Umsatz der Reformhäuser im Gleichschritt zur Gesamtbranche um 1,9 Prozent auf 671 Millionen Euro zurückgefallen. Allerdings hatte das Vorjahr durch Lebensmittelskandale zu einem außerordentlichen Boom geführt. «Diese Kunden konnten wir nicht halten, da der Verbraucher schnell wieder in alte Gewohnheiten zurückverfällt», bedauerte Gründken. Die Suche nach dem günstigen Preis sei wieder das vorherrschende Element.
Keine Chance bei 'Billig-Welle'
Gründken sieht jedoch keinen Ausweg darin, auf diesem Weg die Kunden anzulocken. Angestoßen durch den enormen Erfolg der Discounter gibt es in der gesamten Einzelhandelbranche eine "Billig-Welle". "Auf der Preisschiene können wir nicht mitmachen, wir haben keine Chance beim Niveau der Discounter mithalten zu können."
Zugpferd fehlt
In diesem Jahr fehle ein echtes Zugpferd. "2002 war Aloe Vera der Renner, das hat uns viel Zulauf gebracht", berichtete Gründken. Allgemein besteht die Angebotspalette zu 60 Prozent aus Lebensmitteln, zu rund einem Viertel aus Naturarzneimitteln und Nahrungsergänzung sowie zu einem Fünftel aus Kosmetik. Als Wettbewerber gelten Apotheken, Drogerien und Bioläden.
Auch hier: Franchise
Die neuform-Kette funktioniert nach dem Franchise-System. Die Besitzer der Läden sind selbstständig, müssen aber ein einheitliches Sortiment anbieten und das Design der Genossenschaft übernehmen. Die Zentrale in Oberursel bietet übergeordnete Dienstleistungen für alle 2.200 deutsche und mehr als 400 österreichische Geschäfte an. Die neuform-Geschäfte sind die einzigen Reformhäuser in Deutschland.