Schiffbau «Begräbnisstimmung» bei HDW

Die strahlende Wintersonne passte am Mittwoch so gar nicht zur Stimmung an der Kieler Förde: Hunderte Werftarbeiter der HDW fürchten um jetzt um Job und Werft.

Mit Existenzangst, Wut und Enttäuschung kamen die Beschäftigten der Werft HDW (Howaldtswerke-Deutsche Werft AG) am Morgen zur Arbeit. 750 von 3.400 sollen bis Mai 2004 ihren Job verlieren, eine Dimension, mit der trotz weltweiter Schiffbaukrise und fehlender Aufträge im Handelsschiffbau niemand gerechnet hat. «Begräbnisstimmung» machte sich bei Schichtbeginn breit, erzählt Schweißer Omer Eris.

Jeder fünfte betroffen

Die schockierende Nachricht hat dem 27-Jährigen das Jubiläumsjahr gründlich verhagelt - seit 10 Jahren arbeitet der Rohrschweißer bei HDW. «Ich hab' mit der Zahl nicht gerechnet», sagt Eris und schüttelt den Kopf über den «Schicksalsschlag». Schließlich müsste mehr als jeder fünfte Mitarbeiter gehen, wenn der Vorstand sein Konzept durchzieht. Ein weiterer Rückschlag für Kiel und die Region, in der eine Stellenabbau-Nachricht die nächste jagt, und auch für die vielen Zulieferbetriebe in ganz Deutschland, deren Schicksal mit dem von HDW gekoppelt ist. Erst vor einem halben Jahr hatte HDW 200 Stellen abgebaut; die Hoffnung, dabei könnte es auf absehbare Zeit bleiben, ist jetzt bitter enttäuscht.

Keine Zukunfssicherheit mehr

Auch Gürsel Ayan trafen die Pläne wie ein Schock. «Wir haben die ganze Nacht darüber geredet», sagt der 42-Jährige. «Wir sind stinksauer.» Der Schweißer aus dem U-Boot-Bau ist seit drei Jahren bei HDW, hat drei Kinder, ein Haus, muss dafür Schulden abtragen und fragt sich besorgt nach den nächsten 20 Jahren.

Ungewisse Perspektiven

Die Perspektiven für die traditionsreiche Werft, die auch nach einem Stellenabbau in der angekündigten Dimension noch die größte in Deutschland wäre, sind für viele ungewiss. Dass der Vorstand beispielsweise plant, den Stahlbau kräftig zu beschneiden und Schiffsrümpfe billig im Ausland einzukaufen, lässt manche zweifeln. Wenn man glaube, man könne eine Werft wie ein Konstruktionsbüro führen, werde man den Wettbewerb nicht gewinnen, orakelt der Kieler IG-Metall-Chef Wolfgang Mädel. Er wirft dem Vorstand Konzeptionslosigkeit vor und sagt für Ende Februar eine «sehr turbulente» Aufsichtsratssitzung voraus.

Asiatische Billig-Konkurrenz

Der erst seit vier Monaten amtierende Werftchef Helmut Burmester hatte die drastischen Einschnitte mit der weltweiten Schiffbaukrise und der asiatischen Billigkonkurrenz besonders im Handelsschiffbau begründet. Auf kleinere und technisch anspruchsvolle Schiffe wolle man sich künftig konzentrieren: U-Boote, Marine-Überwasserschiffe, kleine Kreuzfahrer, Fähren, Mega-Yachten und Spezialschiffe.

Wiederholte Wechsel an der Spitze der Werft

Die Sorge unter den HDW-Arbeitern dreht sich nicht nur um den eigenen Job, sondern nach den anhaltenden Turbulenzen und wiederholten Wechseln an der Spitze der Werft um deren Fortbestand insgesamt: Sie fürchten, dass sie trotz gegenteiliger Beteuerungen des Vorstandes zur reinen Marinewerft ohne längerfristige Überlebenschance wird. Dass es ernst ist, verleugnet auch der Vorstand nicht. «Sie alle wissen, dass wir große Probleme haben», heißt es in einem Schreiben an die Belegschaft. Das jetzt verkündete «Restrukturierungsprogramm» solle verhindern, «dass unsere Werft in Gefahr gerät».

Betriebsrat will nachhaken

Überhaupt nicht schlüssig ist für den Betriebsratsvorsitzenden Ernst August Kiel das Vorstandskonzept. Er kündigt Widerstand an und will vor allem die Arbeit auf mehr Schultern verteilen. Allein 550.000 Stunden, die Jahresarbeitszeit von 400 Beschäftigten, lägen auf Zeitkonten. Und mehr als 500 Leute arbeiteten nach Sonderregelungen 40 statt 35 Stunden in der Woche, was noch einmal 100 Beschäftigten entspreche. Hier will der Betriebsrat einhaken, um die Zahl 750 doch noch spürbar zu senken.