Sonderpreis 2009 "Jede gute Idee ist einfach"

Günter Faltin, Sonderpreisträger 2009, macht seit 25 Jahren aus grauer Theorie erfolgreiche Praxis.

Herr Professor Faltin, "Kopf schlägt Kapital" - so heißt Ihr aktuelles Buch, und es ist zugleich Ihre Lehrformel für Unternehmensgründungen. Meinen Sie das wirklich ernst? Sollen Gründer auf Kredit- und Kapitalgeber verzichten?

Radikal zugespitzt: Ja! Gründungen in der industriellen Gesellschaft waren teuer, überwiegend kapitalintensiv. Aber heute, in der Wissensgesellschaft, ist viel Kapital nur noch für einen geringeren Teil von Gründungen nötig. Die Mehrzahl durchschlagender Geschäftsideen kommt mit wenig Startgeld aus. Woran es beim Gründen heute nicht mangeln sollte, ist Wissen, das Kapital des 21. Jahrhunderts. Es lässt sich - dank Internet - schnell und günstig beschaffen. Es dann gewinnbringend einzusetzen ist die Kunst - und die kann man erlernen.

Zu wenig Finanzkapital ist aber der häufigste Grund für das Scheitern junger Firmen.

Das Ende jeder Firma ist die Zahlungsunfähigkeit, so wie das Ende des Lebens der Herzstillstand ist. In beiden Fällen sagt das aber nichts über die eigentliche Todesursache aus. Insofern sehe ich solche Statistiken eher kritisch. Meine These ist: Die allermeisten Gründungen scheitern an ihren zu unausgereiften Konzepten.

Wie viel Geld hatten Sie zum Start Ihrer "Teekampagne"?

In der Urform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts waren es gut 5000 D-Mark, so viel hatte ich selbst. Um die erste Tranche Tee bezahlen zu können, musste ich sie binnen 60 Tagen, dem Zahlungsziel, verkauft haben - und das gelang, weil ich mir vorher lange überlegt hatte, wie es gelingen könnte.

Durchdachtere Ideen also - und der Rest kommt wie von selbst?

Die Praxis zeigt: Wenn sich eine Geschäftsidee am Markt bewährt, ist Kapital nicht der Engpass. Denn die Kapitalgeber wittern ein Geschäft, ihr ureigenes, ihr liebstes: Rendite bei überschaubarem Risiko. Ohne Marktreife verlangen sie hingegen hohe Sicherheiten. Professionelle Kapitalgeber sind keine Entrepreneure. Das waren sie noch nie, müssen sie auch gar nicht werden.

Wie finden Entrepeneure, also unternehmerische Geister, gute Geschäftsideen?

Mit offenen Augen durch die Welt gehen, Missstände erkennen, nach Verbesserungen suchen, Bedürfnisse ergründen, vermeintlich Bewährtes, den Usus infrage stellen - Konventionen brechen, auf sie wie ein "kreativer Zerstörer" wirken. So lehrte es schon der große Ökonom Joseph Schumpeter vor 70 Jahren.

Also muss man - wie Sie - Kaffeetrinker gewesen sein, um den Teehandel aufzumischen?

Der Markt interessierte mich, gerade weil er so zementiert schien. Ihn aufzubrechen gelang mit Beschränkung auf nur eine einzige Sorte, allerdings die weltbeste: Darjeeling. Damit wurden die Einkaufsmengen groß genug, um den gesamten Zwischenhandel auszuschalten. Verkauft wurde nur in Großpackungen. Durch die enormen Kosteneinsparungen zu einem äußerst attraktiven Preis, per Direktvertrieb. Der beste Tee zum weitaus besten Preis, das war's.

Das hört sich fast banal an.

Fast jede erfolgreiche Geschäftsidee ist, wenn sie an den Markt kommt, tatsächlich vor allem eines: einfach! Gerade das zeichnet sie aus. Aber vorher ist jede Menge Kopfarbeit nötig. Vom ersten Einfall zur Geschäftsidee, hin zum ausgearbeiteten Ideenkonzept.

Angenommen, alles ist gut durchdacht. Worauf sollten Gründer im nächsten Schritt besonders achten?

Sich beschränken, nicht alles selbst können und machen wollen, Vorhandenes nutzen, auf Einfachheit achten. Komplexität ist der Feind des Gründers. Und dann: im Kleinen testen, ob und wie das Ideenkonzept ankommt, bevor man größer einsteigt, nicht alles sofort auf eine Karte setzen. Denn das wäre Gründen à la Roulette: Alles auf einen Wurf setzen, dann beten - und in 80 Prozent aller Fälle scheitern.

Schon als Student war Ihnen die Wirtschaftswissenschaft zu praxisfern. Hat sich das verändert?

Ein wenig ja, in jüngster Zeit. Komplexe Konzerne brauchen weiterhin Business-Administratoren, erfolgreiche Gründungen brauchen vor allem Entrepreneure. In diese Richtung sollten wir denken und ausbilden.

Wie kann das Gründungsklima in Deutschland verbessert werden?

Wir müssen Entrepreneurship so verstehen und unterstützen, wie es international üblich ist: als Keimzelle des Wirtschaftens schlechthin! Nichts gegen geniale Erfinder oder clevere Kaufleute. Aber was wir verstärkt brauchen, sind Neu- und Anders-Denker von Märkten und Bedürfnissen, positiv besessene "Ideen-Ausarbeiter" - das klingt nicht nur anders als "Existenzgründer", "Unternehmer" oder "Tüftler". Es ist anders! Und das Beste daran ist: Potenzial zum Entrepreneur steckt in jedem von uns.

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Interview: Frank Donovitz