UMSTELLUNG Euro: Gelegenheit macht Diebe

Die turbulente Zeit der Euro-Umstellung ist eine gute Gelegenheit für Geldfälscher - wer weiß schon, wie die neuen Scheine und Münzen genau aussehen?

Wenn die Deutschen in den ersten Januartagen 2002 ihre D-Mark in Euro umtauschen, müssen sie sich vor Geldfälschern in Acht nehmen: »Ich sehe für den Anfang die Gefahr, dass die Bevölkerung falsche Euros bekommt und es nicht bemerkt«, sagt Johann Kubica vom Bundeskriminalamt (BKA). Das ungewohnte Aussehen der neuen Scheine und Münzen, der Trubel der Umtauschphase, die vielen Menschen mit Geld in den Taschen, der Stress der Bankmitarbeiter - all das dürfte nach Einschätzung der Kriminalisten außer Falschmünzern auch Bankräuber, Trickbetrüger und Taschendiebe auf den Plan rufen. Die Deutsche Bundesbank in Frankfurt rechnet für dieses Jahr mit 50 Prozent mehr falschen D-Mark-Noten, die ebenso noch schnell untergebracht werden sollen wie echtes Bargeld aus dunklen Quellen.

»Schlechtes Geld« loswerden

Schon 1998 hatte das BKA mögliche Ansatzpunkte analysiert und gefunden: So erwartet die Studie, dass Kriminelle den Rückstrom von 2,6 Milliarden Scheinen und 28,5 Milliarden Münzen als Gelegenheit ergreifen, D-Mark-Blüten gegen echte Euros zu tauschen, Drogengelder zu waschen und registrierte Noten - etwa aus Lösegeldern - loszuwerden. Andere könnten versuchen, in großem Stil mit falschen Euros einzukaufen. Und wieder andere ausnutzen, dass die Banken in dieser Phase bis zu zehn Mal mehr Barmittel bereit halten müssen und Geldtransporter unablässig wohlgefüllt über die Straßen rollen.

Anlagebetrüger noch kaum aktiv

Es zeichnet sich allerdings ab, dass nicht alle Annahmen der Studie eintreffen: Anlagebetrüger sind nach bisherigem polizeilichem Wissensstand noch nicht auf die Idee verfallen, ihr Geschäft mit der verbreiteten Skepsis gegenüber der neuen Währung zu machen, sagt Kubica.

Euro-Falschgelddrucker muss noch warten

Auch für die Vermutung, dass Euro-Falschgelddrucker verstärkt aktiv werden könnten, haben sich noch keine Hinweise gefunden: »Eine besondere Zunahme der Falschgeldkriminalität ist nicht zu beobachten.« Der BKA-Mann führt dies darauf zurück, dass das genaue Aussehen der Euro-Scheine noch gar nicht bekannt ist: »Im Moment kann man noch gar keiner falsche Euros drucken.« Dass die Sicherheitskennzeichen erst im September bekannt gegeben werden, setzt allerdings nicht nur etwaige Fälscher unter Zeitdruck, sondern auch Handel und Banken, die ihre Mitarbeiter schulen müssen. »Wir hätten uns den Zeitpunkt früher gewünscht«, kritisiert Kubica.

Schnell D-Mark-Blüten loswerden

Im Vorfeld der Euro-Bargeld-Einführung sind auch die Geldfälscher aktiver als zuletzt: Nachdem im vergangenen Jahr 20.702 Blüten und 20.365 falsche Münzen aus dem Zahlungsverkehr gezogen worden sind, rechnet der Falschgeldexperte der Deutschen Bundesbank, Dietmar Thiele, für 2001 mit einer Steigerung um mindestens 50 Prozent. In diesem Jahr sind bereits mehrere Serien entdeckt worden, die unter anderem aus Bulgarien und Jugoslawien stammen. Dass eine größere Menge Blüten unentdeckt bleibt, hält der Bundesbankdirektor für unwahrscheinlich. Durchschnittlich drei Mal pro Jahr komme jeder Geldschein in die Bundesbank oder eine der Landeszentralbanken. »Da ist die Dunkelziffer relativ gering.«

Umtauschaktion = Geldwäsche?

Prinzipiell bietet der Massenumtausch nach Kubicas Einschätzung auch Chancen. Immerhin sind mehrere hunderttausend registrierte D-Mark-Noten aus Überfällen und anderen Straftaten im Umlauf. Aber im erwarteten Andrang dürfte kaum ein Bankbediensteter die Zeit finden, die Nummern zu überprüfen. Um zu verhindern, dass der Umtausch zur großen Geldwäscheaktion wird, wollen viele Bankinstitute nur guten Kunden größere Barsummen einlösen und ihren Mitarbeitern nochmals einschärfen, verdächtige Transaktionen zu melden.

Geldwäsche-Delikte nehmen zu

Bei der in Frankfurt beheimateten Geldwäsche-Meldestelle der Hessischen Generalstaatsanwaltschaft sind bereits im ersten Halbjahr mit 631 Fällen mehr Verdachtsanzeigen eingegangen als im ganzen Jahr 2000 mit 555 Fällen. »Bundesweit geht der Laden los«, sagt die Justizsprecherin Hildegard Becker-Toussaint, die bis zum Jahresende mit mehr als 1.300 Geldwäsche-Anzeigen allein in Frankfurt rechnet. Illegal erworbenes Bargeld, egal ob es aus Drogengeschäften, Bestechungen oder heimlichen Nebenabsprachen etwa bei Grundstückgeschäften stammt, soll möglichst noch vor der Umstellung zurück in den legalen Kreislauf. Danach kann DM-Bargeld nämlich nur noch bei den Zentralbanken umgetauscht werden.

Expertentipp: Nicht zu lange warten

Für die Bürger hat Kubica zwei Tipps parat: Erstens solle man sein Bargeld nicht erst im neuen Jahr zur Bank tragen, sondern am besten kurz vorher noch aufs Konto einzahlen oder ausgeben. Und zweitens solle man gar nicht erst öffnen, wenn angebliche Polizisten oder Bankbedienstete an der Haustür Euros tauschen wollten: »Das können nur Betrüger sein.«