Untreue-Prozess gegen Thomas Middelhoff Nach New York für 80.000 Euro

Bei Stau mit dem Hubschrauber zur Arbeit, ins Ferienhaus mit dem Privatjet - alles auf Firmenkosten. Mehr als eine Million Euro soll Thomas Middelhoff auf diese Weise bei Arcandor veruntreut haben.

Mit dem Hubschrauber über den Stau hinweg vom Wohnort Bielefeld ins Essener Büro, mit dem Business-Jet zum Termin in New York oder zum Ferienhaus in St. Tropez: Das Leben des Topmanagers Thomas Middelhoff ist für viele "Normalbürger" nur schwer vorstellbar. Als Aufsichtsratschef und später Vorstandsvorsitzender des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor nutzte der Manager nach eigenen Angaben in 54 Monaten insgesamt 610 Mal Privatjets und Hubschrauber, um schneller voranzukommen. Insgesamt 400 Mal ging die Rechnung dabei an den Essener Handelsriesen.

Doch die emsige Nutzung der Privatflieger hat inzwischen ein gerichtliches Nachspiel für den Manager. Seit Dienstag sitzt der 60-Jährige wegen des Verdachts der Untreue auf der Anklagebank im Saal 101 des Essener Landgerichts. Oberstaatsanwalt Helmut Fuhrmann wirft dem Manager vor, den Handelskonzern Arcandor zu Unrecht mit betriebsfremden Kosten in Höhe von rund 1,1 Millionen Euro belastet zu haben. Der Löwenanteil - rund 950.000 Euro - entfällt auf Flüge, die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ganz oder teilweise nichts mit Arcandor zu tun hatten. Es geht etwa um Langstreckenflüge nach New York zum Preis von fast 80.000 Euro, aber auch um Hubschrauberflüge zur Arbeit zum Stückpreis von rund 2500 Euro. Das mögliche Strafmaß im Falle einer Verurteilung reicht von einer Geldstrafe bis zu zehn Jahren Haft.

Absegnung durch Schickedanz

Für Middelhoff sind die Vorwürfe jedoch haltlos. "Ich bin sicher vor mir selber, dass ich mich korrekt verhalten habe", sagt er noch vor Prozessbeginn zu Journalisten. Vor Gericht weist er die Anklagevorwürfe "grundsätzlich und mit aller Entschiedenheit zurück". Der Manager ärgert sich über sein Bild in der Öffentlichkeit. Auf dem Weg zum Gericht habe er Verkehrsfunk gehört, erzählt er. Da sei von einem acht Kilometer langen Stau auf der A3 berichtet worden und dann habe der Moderator hinzugefügt: "Middelhoff müsste man heißen, dann könne man einen Hubschrauber nehmen." Dabei habe er die Charterflieger nur benutzt, weil er so seine Zeit effektiver für den krisengeschüttelten Arcandor-Konzern habe einsetzen können.

In einer mehr als zweistündigen Erklärung vor Gericht erklärt der Manager später, als Arcandor-Chef habe er teilweise 17-Stunden-Tage gehabt, vollgestopft mit Terminen. Mit Linienflügen sei das nicht zu bewältigen gewesen. Er betont, er habe überhaupt kein Interesse daran gehabt, Arcandor Privatflüge in Rechnung zu stellen. Denn nach einer Bombendrohung gegen einen von ihm genutzten Linienflug habe die Arcandor-Großaktionärin Madeleine Schickedanz darauf bestanden, dass er künftig auch privat nur noch Charterjets nutze. Sie habe sich zur Übernahme aller Kosten bereiterklärt. Für ihn sei deshalb die Frage, ob ein Termin dienstlich oder privat eingestuft wurde, ein Nullsummenspiel gewesen.

Vergleich zu Christian Wulff

Middelhoff hält die Ermittlungen gegen ihn für "uferlos" und "unverhältnismäßig". Letztlich seien sie nur wegen der Pleite des Arcandor-Konzerns in Gang gekommen. Doch für den Untergang des Traditionsunternehmens sind in den Augen des Managers Andere verantwortlich, nicht er selbst. Aber was nach seinem Weggang bei Arcandor für Fehler gemachten worden seien, interessiere offenbar nicht. Stattdessen befasse sich die Justiz damit, jeden Flug, den er als Arcandor-Chef gemacht habe, zu überprüfen, klagte Middelhoff.

Der Manager zieht sogar eine Parallele zu dem Verfahren gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff, der kürzlich vom Landgericht Hannover vom Vorwurf der Vorteilsannahme freigesprochen wurde. "Die Kosten meines Verfahrens dürften deutlich über dem Liegen, was bei Herrn Wulff produziert wurde", sagt er.

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Von Erich Reimann/DPA