Was für ein Witz: In Griechenland gibt es ernsthafte Stimmen, die dem Land eine freiwillige Rückkehr zur Drachme empfehlen. Der Reisekonzern Tui will sich durch neue Verträge mit griechischen Hoteliers dagegen absichern. Einmal unabhängig davon, ob die Rückkehr zur alten Währung rechtlich möglich wäre – was sehr zu bezweifeln ist –, bedeutet ein solcher Vorschlag nichts anderes als den Versuch, durch Selbstmord einer langjährigen Gefängnisstrafe zu entgehen.
Wer würde denn diese neue Drachme haben und wer würde den Griechen neue Kredite geben wollen? Niemand! Griechenland hätte über lange Zeit alles Vertrauen verspielt. Neue ausländische Kredite gäbe es – wenn überhaupt - nur noch gegen hohe Risikoprämien. Das wiederum ließe die meisten Investitionen unrentabel werden. Ein ganz normaler Ausbau einer Fabrikhalle oder die einfache Erneuerung von Fahrzeugen oder Apparaten würden schlicht nicht mehr finanzierbar. Und selbst der Import von Energie, Benzin oder Rohstoffen, ganz zu schweigen von industriellen Vorleistungen würde für ausländische Lieferanten zu einem Hochrisikogeschäft. Entsprechend käme es zu einem Absturz der Einfuhren. Als Folge würden die Lichter ausgehen, und der Verkehr stünde still. Griechische Banken wären Pleite, und die Bevölkerung verlöre ihre Ersparnisse.
Teufelskreis der Verelendung
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die Konsequenz einer Rückkehr zur Drachme würde für Griechenland einen eigendynamischen sich selbst verstärkenden Teufelskreis der Verelendung in Gang setzen, der eine weitere Abwanderung von Menschen und Maschinen provoziert. Die innenpolitischen Spannungen würden wohl weit über friedliche Protestmärsche und Demonstrationen hinausgehen und einen Nährboden für Generalstreiks und Krawalle liefern. Wohin die Kreditunfähigkeit eines isolierten Landes langfristig führt, kann man am Zerfall der DDR studieren.
Deshalb wirkt das Argument weltfremd bis zynisch, mit einer Rückkehr zur Drachme könne Griechenland abwerten und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit seiner Binnenwirtschaft und insbesondere jene seiner Exporteure stärken. Die aktuelle Leistungsfähigkeit der griechischen Wirtschaft liegt soweit zurück, dass sie ausländischen Kunden neben Südfrüchten, Wein und Tourismus vorerst wenig zu bieten hat. Woher sollen in einer so hoffnungslosen Situation die innovativen Unternehmer, die Investoren, die industriellen Ideen und als Folge davon ein Exportschub kommen? Bevor nach langer Zeit möglicherweise die positiven Effekte einer Abwertung ihre helfende Wirkung entfalten könnte, wäre ein isoliertes Griechenland längst einen qualvollen Tod der Implosion gestorben. Aber auch die europäischen Schuldner wären das griechische Problem mit einer Rückkehr zur Drachme nicht los. Im Gegenteil: Ein sofortiger kompletter Zahlungsausfall Griechenlands wäre die unmittelbare Konsequenz. Mit neuen Drachmen lassen sich nicht die bestehenden alten Euroforderungen begleichen. Das heißt, die europäischen Gläubiger müssten schlagartig den Wert ihrer Griechenlandpapiere abschreiben. Es bleibt eine offene Frage, wieweit sie dazu in der Lage wären. Vor allem auch, weil sich mit der Rückkehr Griechenlands zur Drachme auch in Portugal und Spanien, vielleicht sogar Italien ein Bank-Run abspielen würde. Aus Angst, dass ihren Ländern das griechische Schicksal droht, würden in anderen überschuldeten Euroländern die Sparer möglichst rasch ihre Einlagen zurückziehen und die Gläubiger ihre Forderungen liquidieren wollen.
Spätestens dann würden auch Gläubiger in starken Euroländern mitgerissen. Nämlich jene, die mit wertlos gewordenen Ansprüchen gegenüber größeren südeuropäischen Schuldnern dastehen. Sie wären nun ihrerseits nicht mehr in der Lage, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen. Aus einem griechischen Kurzschluss würde dann rasch ein europäischer Flächenbrand werden.
Pest oder Cholera?
Kurzum: Eine Flucht in die Vergangenheit hilft Griechenland nicht, die Zukunft zu gewinnen. Es bleibt nur die Wahl zwischen Pest und Cholera: der Akzeptanz einer finanzpolitischen Rosskur oder der Implosion der griechischen Volkswirtschaft. Griechenland muss sein verrottetes Steuersystem reformieren, die Staatausgaben ernsthaft verringern und die öffentlichen Haushalte nachhaltig sanieren. Das kann in jedem Fall mit Europas Unterstützung einfacher umgesetzt werden als ohne – selbst wenn der Preis dafür eine Aufgabe nationaler Autonomie und die Akzeptanz ausländischer Finanzkommissare ist.
Forderungen nach einem freiwilligen Austritt oder gar erzwungenen Ausschluss Griechenlands aus dem Euroverbund sind weder ökonomisch sinnvoll, noch juristisch realisierbar. Denn eine Scheidung ist in den Euroregularien schlicht nicht vorgesehen. Austritt oder Ausschluss könnten nur unter Bruch von EU-Recht vollzogen werden. Ein freiwilliger Austritt wäre höchstens dann rechtens, wenn Griechenland gleichzeitig auch die EU verlassen würde. Seit dem Lissabon-Vertrag vom Dezember 2009 wäre das möglich. Ein Alleingang außerhalb der EU ist für die griechische Wirtschaft jedoch erst recht der Gau. Deshalb sollten die Griechen niemals freiwillig die EU-Mitgliedschaft aufgeben, nur um den Euro los zu werden und zur Drachme zurückkehren zu können