Die Weltwirtschaftskrise steht bevor. Könnte man meinen, wenn man die düstere Warnung der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, Ernst nimmt. Sie hält für das Jahr 2012 eine krisenhafte Eskalation der ökonomischen Situation für möglich. Die apokalyptische Sicht auf das kommende Jahr ist grundfalsch. Es gibt genügend gute Gründe für mehr Optimismus.
Erstens lassen sich viele Menschen von Euro-Untergangsszenarien ins Bockshorn jagen - und binden damit unsinnig Kräfte. Dabei hat sich die Politik eindeutig und unmissverständlich auf den Erhalt des Euro festgelegt. Und sie verfügt über die Mittel, diese Absicht in die Tat umzusetzen. Der Euro wird nicht auseinanderbrechen. Das ist eine sehr gute Nachricht. Denn sie sichert den deutschen Firmen weiterhin einen problemlosen Zugang zu einem Euro-Raum, dessen Binnenmarkt zu den zahlungskräftigsten der Welt gehört.
Zweitens ist für die nächsten Jahre keine Inflationsgefahr erkennbar. Damit werden auch die Leitzinsen noch eine Weile auf ihrem historischen Tiefstand von einem Prozent verharren. Sobald das Vertrauen in die Überlebensfähigkeit des Euro wächst, werden auch die Risikoprämien geringer werden. Damit sollten in den nächsten Jahren die Kreditkosten für Expansion, Instandhaltung und Innovationen günstig bleiben. Das ist für die kapitalintensive deutsche Industrie von herausragender Bedeutung.
Deutscher Arbeitsmarkt in Bestform
Drittens ist der deutsche Arbeitsmarkt in Bestform. Die stabile Beschäftigung ist das eine. Der leichte Anstieg der verfügbaren Einkommen ist das andere. Beides zusammen wird dafür sorgen, dass die privaten Konsumausgaben zu einer wichtigen Stütze der Binnenwirtschaft werden. Damit erhält die deutsche Konjunktur neben dem Export ein zweites starkes Standbein.
Viertens stehen in 2012 einige Weltregionen besser da als von vielen befürchtet. Zum Jahresende gab es mancherorts positive Impulse. Das gilt für China, selbst wenn der weltwirtschaftliche Wachstumsmotor der vergangenen Dekade eher einen Gang zurückschalten muss. Auch für die USA zeigen sich erste Hoffnungen. 2012 ist ein Wahljahr. Da wird ein Präsident, der wiedergewählt werden will, alles daran setzen, die Konjunktur anzukurbeln. Etwas weiter weg rückt Indonesien - mit fast 250 Millionen Menschen das bezogen auf die Bevölkerung viertgrößte Land der Erde - in den Fokus. Zusammen mit den Philippinen, Vietnam und Korea sind das attraktive neue Märkte für deutsche Firmen.
Fünftens verbessert die leichte Abschwächung des Außenwertes des Euro die preisliche Wettbewerbsfähigkeit europäischer Produkte auf den Weltmärkten. Das wird dem deutschen Export helfen, sein Rekordniveau von 2011 zu halten.
Stetig steigende Nachfrage über Jahre gesichert
Sechstens gibt es auch in der europäischen Nachbarschaft erfreuliche Entwicklungen. Im Osten sind Polen und Russland Vorreiter. Im Südosten ist die Türkei Zentrum eines sich stürmisch entwickelnden neuen Orients. In beiden Regionen gilt „made in Germany“ als Gütesiegel, für das eine hohe Zahlungsbereitschaft besteht.
Siebtens schließlich behalten die langfristigen Basistrends ihre Richtung. Die Weltbevölkerung wächst weiter. Die meisten Menschen bleiben arm und wollen, dass es spätestens ihren Kindern besser gehen soll. Bevölkerungswachstum und Aufholprozesse werden noch über Jahre für eine stetig steigende Nachfrage nach hochwertigen deutschen Industriegütern und klugen Problemlösungen sorgen.
Natürlich kann 2012 alles anders und schrecklich werden. Nüchtern betrachtet stehen der Euro-Zone harte Zeiten bevor. Hier überlagern und verstärken sich konjunkturelle und strukturelle Schwächen. Die unvermeidbaren Reformen, der Abbau von Überkapazitäten und die Sanierung der Staatshaushalte mit sinkenden öffentlichen Ausgaben und steigenden Abgabenbelastungen für Private werden in den eh von Rezession geplagten südeuropäischen Volkswirtschaften zu einem J-Kurven-Effekt führen. Damit ist gemeint, dass zunächst über Jahre vieles schlechter wird, bevor es danach besser und am Ende hoffentlich gut geht. Dieser für Transformationsprozesse typische Verlauf wird für Europa über Jahre bestenfalls ein schwaches Wachstum, im schlechteren Fall Stagnation zur Folge haben.
Deutschland jedoch wird sich nicht vollständig, aber doch weitgehend vom europäischen Abwärtstrend abkoppeln können. Selbst wenn sich das Wachstum verlangsamt, ist Pessimismus die falsche Reaktion. Wer die Finanzmarktkrise so gut weggesteckt hat, wird auch einen Konjunkturabschwung überstehen. Deshalb gibt es keinen Grund, weshalb hierzulande die Stimmung schlechter als die an sich gute Lage sein soll.