Grobe Fahrlässigkeit Stiftung Warentest rügt Versicherer scharf: 68 Mal "mangelhaft"

Regensburger Häuser an der Donau im schweren Regen: Haben Sie alle eine gute Wohngebäudeversicherung?
Haben die Regensburger Hausbesitzer hier an der Donau die richtige Wohngebäudeversicherung erwischt? Jede dritte im Test war "mangelhaft"
© Frank Wagner / Getty Images
Die Wohngebäudeversicherung schützt das Wertvollste, was man besitzt. Im Schadenfall will man nicht vor Gericht um Ersatz kämpfen müssen. Genau das droht aber bei vielen Verträgen.

Das gibt es sehr selten. 196 Versicherungstarife hat die Stiftung Warentest untersucht – und 68 erhielten das Urteil "mangelhaft". Mehr als jeder dritte Tarif. Es betrifft praktisch die gesamte Branche, auch Anbieter wie Allianz, Arag, DEVK, Hanse Merkur, Nürnberger oder WWK.

Der Grund: In diesen Tarifen zahlen die Versicherungen nicht den gesamten Schaden bei "grober Fahrlässigkeit". Das klingt nicht schlimm. Macht aber einen gewaltigen Unterschied, der vielen Hausbesitzern offenbar in seinem Ausmaß nicht klar ist.

Kerze angelassen, Markise nicht eingefahren – nicht versichert?

Wer zum Beispiel vor dem Winter die Wasserleitungen außen nicht leert, um Frostschäden zu verhindern, der handelt grob fahrlässig. Wer bei Sturm die Markise nicht einfährt. Wer im unbewohnten Haus den Hauptwasserhahn nicht absperrt. Oder wer das Haus verlässt, obwohl noch Kerzen brennen, und es kommt zum Brand. In all diesen Fällen würden die Versicherungen in den beanstandeten Tarifen die Leistung kürzen, im Extremfall überhaupt nicht zahlen.

Umgangssprachlich würde man sagen: Man hat Mist gebaut. Doch auch dann ist es gut, versichert zu sein. Oder eigentlich gerade dann. Im Versicherungsdeutsch ist die Rede von "Verzicht auf Einrede der groben Fahrlässigkeit". Diese Klausel sollte eigentlich in jedem Versicherungsvertrag, egal ob für Häuser, Autos, Haftpflicht oder Hausrat stehen.

Der Gesamtverband der Versicherer (GDV) sieht das naturgemäß anders. Der Test zeige lediglich, so der GDV auf Nachfrage des stern, "dass es ein breites Spektrum an Tarifangeboten" gebe. "Dies ist für viele Verbraucherinnen und Verbraucher ein Vorteil, andere empfinden dies möglicherweise als Nachteil." 

Schutz vor nervenaufreibenden Gerichtsverfahren

Die Nachteile sind nicht bloß Empfindungssache. Die Klausel garantiert nicht nur einen ordentlichen Versicherungsschutz, sie schützt auch vor unangenehmen Prozessen gegen die eigene Versicherung. Denn die Streitfrage, was "grob fahrlässig" ist, und was nur "fahrlässig", hat schon unzählige Richter beschäftigt. Und gerade bei großen Schäden, wie sie in der Wohngebäudeversicherung oft vorkommen, sind Versicherungen klagefreudig. Und eine Versicherung, die nicht zahlen will, sitzt gegenüber dem Versicherten am längeren Hebel – vor allem, wenn der die Kosten nicht vorschießen kann.

Die von der Stiftung Warentest bemängelten Tarife haben oft Bezeichnungen wie "Basis" oder "Standard" oder "Classic". So oder so: Es lohnt sich, seinen bestehenden Vertrag auf die Klausel vom "Verzicht auf Einrede der groben Fahrlässigkeit" zu überprüfen – und gegebenenfalls den Vertrag zu wechseln.

Es gibt viele gute Wohngebäudeversicherungen

Denn die gute Nachricht ist: Es gibt jede Menge "sehr gut" oder "gut" getestete Tarife – in der Regel auch von denselben Anbietern. Im aktuellen Test der Stiftung sind es 119.

Die Stiftung Warentest gibt noch einen Tipp: Nur jeder zweite Hausbesitzer ist aktuell gegen Naturgefahren wie Überschwemmungen oder Erdrutsch versichert. Eine Absicherung gegen solche Elementarschäden sei aber sinnvoll, obwohl sie den Versicherungsschutz teurer mache. Um die Kosten im Rahmen zu halten, empfiehlt die Stiftung eine hohe Selbstbeteiligung: 2000 Euro Selbstbehalt kann die Police um fast die Hälfte günstiger machen. Man sollte seine Wohngebäudeversicherung sowieso nicht für Kleinigkeiten in Anspruch nehmen.