Wer in diesen Monaten mit den Entwicklern von Hochleistungsbatterien spricht, kann sie so euphorisch erleben wie lange nicht mehr. Auf ihren Prüfständen und in ihren Labors liegen Autobatterien und Zellen, die in wenigen Minuten aufgeladen werden können. Andere sollen vierstellige Kilometerreichweiten bieten. Gleichzeitig sinken die Kosten für die neu entwickelten Speicher in unerwartetem Tempo. Und auch schon ohne diese Innovationen kommen jetzt Autos auf den Markt, die eine Normreichweite über 800 Kilometer und eine Ladezeit von 20 Minuten erreichen wie der neue BMW iX3. Und solche, die preislich auf der Höhe der Verbrennermodelle liegen. Das Elektroauto hat nach langer Durststrecke das Zeug, in Europa einen Durchbruch zu erleben – das zeigen nicht zuletzt die Zulassungszahlen. E-Autos sind das einzige Segment, das in einem insgesamt trübseligen Markt wächst.
Und ausgerechnet in diesem Moment kriegen die EU, ihre Regierungen und die europäische Autoindustrie kalte Füße.
Nicht anders kann man die Beschlüsse der EU-Kommission von Dienstag zum sogenannten Verbrenner-Aus deuten, die mal wieder sehr kompliziert sind.
Ihre erste, fatale, Botschaft ist Verunsicherung. Denn mit dem Aus für das Aus signalisiert Brüssel dem europäischen Markt: erst einmal abwarten. Es geht auch nach 2035 weiter mit dem Verbrenner. Und, so geht die Botschaft weiter, es kommen noch weitere Maßnahmen und Subventionspakete und vielleicht technische Alternativen zum E-Auto. Also erst einmal schauen. Dabei ist das alles eine Illusion – vielleicht mit Ausnahme der Subventionen. Die CO2-Bepreisung wird dazu führen, dass schon vorher Verbrennerfahren ein unverhältnismäßig teures Vergnügen im Vergleich zum strombetriebenen Fahren wird, selbst wenn die Ladepreise so ungerechtfertigt hoch bleiben wie an manchen Ladesäulen in Deutschland. CO2-freie Kraftstoffe, die technisch möglich sind, treiben den Preis noch weiter nach oben. Und Batteriefahrzeuge werden jetzt schon billiger.
Aber die Wähler wollen es so, argumentieren die Politiker. Aber der Markt hat entschieden, sagen sie. Aber die Stimmung wendet sich doch weltweit ohnehin gegen Klimaschutz im Allgemeinen und E-Autos im Besonderen, heißt es. Die letzten zwei Behauptungen sind zwar belegbar Missverständnisse und orientieren sich nur an der Lautstärke von Donald Trump und seinen Freunden, werden aber trotzdem weiter vorgebracht.
Aus für Verbrenner-Aus: Das soll eine Hilfe sein?
Das letzte Argument aus Brüssel: Unserer Autoindustrie geht es so schlecht, wir müssen ihr helfen. Dass es den Autobauern und -zulieferern in Deutschland, Frankreich und anderswo schlecht geht, lässt sich nicht von der Hand weisen. Auch nicht, dass das auch etwas mit dem E-Auto-Umstieg zu tun hat – wenngleich er auch nur einen begrenzten Anteil an der Misere hat. Aber die Hilfe aus Brüssel, auch wenn sie auf Lobbyaktivitäten alter Schule der Hersteller zurückgeht, wird den Herstellern aller Voraussicht nicht helfen.
Das gilt vor allem, weil die Entscheidung die Unsicherheit im Markt zunächst weiter anfacht, anstatt sie zu beseitigen. Es gilt aber auch, weil sich an den Marktgegebenheiten für die Hersteller durch die Beschlüsse gar nicht so viel ändern wird. Gewiss, sie dürfen auch nach 2035 noch Autos mit Verbrennermotoren in Europa verkaufen und weiter welche für den europäischen Markt entwickeln. Es wird sich nur kaum lohnen. Denn die Bedingungen, die die EU jetzt aufstellt, um den Herstellern den symbolischen Sieg zu gewähren, legen die Latte fast unerreichbar hoch.
Wer soll sich denn in 10, 11, 12 Jahren noch so ein Auto kaufen, dessen Betrieb unvergleichlich teurer ist, weil gleichzeitig CO2-Preis und nach den neuen Regeln eine partielle E-Fuelpflicht gelten? Ein Auto, dessen Preis vergleichsweise teuer sein muss, weil der Hersteller laut Anforderung der gelockerten Regeln teilweise sogenannten grünen Stahl verwenden muss, einen Stoff, der allen Vorhersagen nach 2035 höchstens in so geringen Mengen zur Verfügung stehen wird, dass die Hersteller ihn beim Kauf mit Lithium oder etwas anderem sehr Teuren aufwiegen müssten?
Die Bedingungen, die die EU nun stellt, werden bis 2035 das Verbrennerauto rein wirtschaftlich killen. Nur eben, dass Brüssel den Menschen gleichzeitig den Menschen Hoffnung macht, sie müssten nichts ändern und könnten weiter Verbrenner fahren. Mit diesem unehrlichen Vorgehen produzieren Ursula von der Leyen und Friedrich Merz genau die Art Frust, die ihre Wähler zu den Lügnern aus dem Lager von AfD, Le Pen und Co. abwandern lässt. Etwas zu tun, weil es die Wähler wollen oder vorgeblich wollen, kann auf diese Weise dazu führen, die Wähler zu verlieren. Das ist somit die nächste Illusion aus Brüssel.
Die wirtschaftliche Rechnung hinter den Beschlüssen ist zudem nicht das einzige unehrliche Element. Ihnen zugrunde liegt nämlich auch die Behauptung, es sei möglich, CO2-Ziele zu erreichen, ohne zu den entsprechenden Technologien zu wechseln oder zumindest: den Wechsel zu diesen Technologien staatlich zu fördern. Das geschieht aus Angst, dass sonst einige, auch in den einigen Reihen sinnverfälschend "Verbot" rufen. Dass Präsident Donald Trump jüngst Verbrauchsziele für den US-Automarkt gekippt hat, mag technologisch für den US-Autobau fatal sein, politisch ist es konsequent: Trump hat sich für ein Anti-Klimaschutzprogramm wählen lassen. Die Von-der-Leyen-Kommission hingegen behauptet einerseits, sie halte an den Dekarbonisierungszielen fest. Andererseits gibt sie dem Lobbyismus und der erahnten Stimmung nach und will fossile Verbrenner weiter röhren lassen.
Und das auch im Fall von Hybriden und Range Extendern, zu denen Brüssel weitere Entscheidungen getroffen hat. Das betrifft Autos, die elektrisch fahren, aber noch einen kraftstoffbetriebenen (Hilfs-)Motor an Bord haben, der sich nicht ohne CO2-Emissionen betreiben lässt. Solche Technologien feiern gerade in vielen Märkten Erfolge, sogar im elektroautozugewandten Markt in China. Und es gibt Gründe dafür, denn beim augenblicklichen Angebot kann solche Technik in Anwendungsfällen Sinn ergeben, wenn es etwa um Reichweitensorgen, Notfalleinsätze oder zum Beispiel Zugfahrzeuge geht.
Aber dass Hybride oder Rangeextender in zehn Jahren noch in großer Masse gebraucht werden, scheint eher zweifelhaft. Wenn nur ein Bruchteil der Batteriefortschritte in Serien geht, die die Techniker zurzeit zeigen, dann dürften Batterieautos für fast alle Fälle zur Verfügung stehen – und der Einbau von Zusatzmotoren für Spezialanwendungen dürfte damit in der Regel zu teuer werden. Zumal auch hier den Autoherstellern hohe Ausgleichsanstrengungen auferlegt werden, falls sie diese Techniken weiter anbieten wollen.
Die Hilfe kommt nicht in Deutschland an
Nur zwei der nun beschlossenen Maßnahmen könnten unter Umständen eine Hilfe für die Autoindustrie sein. Wenn auch die erste weniger für die Deutschen: Dabei geht es um die besondere Förderung von kleinen E-Fahrzeugen, die kürzer als 4,20 Meter sind. Den Verkauf solcher Autos können sich die Hersteller nach den Plänen CO2-mäßig künftig überproportional anrechnen lassen. Sie werden aber fast nur in Süd- und Osteuropa und Frankreich gebaut. Der deutsche Hersteller Volkswagen will zwar ab 2026 auch den ID.Polo und ab 2027 den ID.1 in dieser Klasse anbieten. Aber die Autos werden in Spanien und Portugal entstehen.
Des Weiteren soll es verpflichtende Quoten für E-Dienstwagen geben. Das ist im Prinzip sinnvoll und könnte den E-Marktanteil weiter anschwellen lassen. Denn für Flottenbetreiber rechnet sich der Stromantrieb jetzt schon noch viel leichter als für Privatfahrer. Doch wie die Vorgaben umgesetzt werden, wird von komplizierter und potenziell unübersichtlicher nationaler Gesetzgebung abhängen.
Und diese Einzelpunkte ändern nichts daran, dass die Gesamtwirkung des Brüsselpakets auf den Automarkt wahrscheinlich verheerend ist. Und dass die fatale Wirkung weit über den Automarkt hinausgeht. Denn die Politik aus Brüssel – von Berlin angetrieben – zeigt sich damit als unehrlich, augenwischerisch und fortschrittsskeptisch. All das kann Misstrauen gegenüber der EU und der Politik insgesamt nur befördern.
Capital ist eine Partnermarke des stern. Ausgewählte Inhalte können Sie mit Ihrem stern+ Abo sehen. Mehr aus Capital finden Sie auf www.stern.de/capital.