"Die Siedler - Aufbruch der Kulturen" Wuselnde Weltenretter

Bayern, Schotten und Ägypter als neue "Siedler"-Völker - toll! Aber ist es wirklich nötig, der Spielergemeinde nach "Die nächste Generation" einen weiteren "Siedler II"-Aufguss zu offerieren?

Seit 1993 wuseln putzige kleine Männchen über die Bildschirme, legen Siedlungen an, sägen, hämmern, graben, mahlen, backen und greifen gelegentlich auch mal zur Waffe. Und ja, auch beim "Aufbruch der Kulturen" geht es eher beschaulich zu. Der erste Teil der neuen "Traditions-Edition" besinnt sich auf die Stärken des Klassikers "Die Siedler II" und brezelt das alte Spielprinzip mit zeitgemäßer 3-D-Grafik auf. Doch ist es wirklich nötig, der Spielergemeinde nach "Die nächste Generation" einen weiteren "Siedler II"-Aufguss zu offerieren?

Im Grunde ist "Aufbruch der Kulturen" eine "Remix"-Version mit einer Hand voll neuer Gameplay-Elemente. Eine Einzelspieler-Kampagne aus elf Missionen, in deren Verlauf die Welt vor der Sintflut gerettet werden soll, wird ergänzt durch den "freien" Modus und eine Internet-Lobby für Multiplayer-Partien. Dort erstellt der Spieler seinen individuellen Avatar, kann mit anderen Fans chatten oder sich die Zeit beim Würfeln, Pokern oder Bauernschach vertreiben.

Mit den Ägyptern, Schotten und Bajuwaren stehen drei Völker zum Siedeln bereit, die sich tatsächlich unterschiedlich spielen: Während die Pyramidenbauer vor allem durch ihre Wirtschaftskraft glänzen, verfügen die Kilt-Träger über die stärkeren Waffen. Die Brezen backenden Bajuwaren setzen auf ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Wirtschaft und Militär. Jedes Volk verfügt über spezielle Rohstoffe, Gebäude und Handicaps. Das motiviert zum Tüfteln und Ausprobieren. Ebenfalls neu: der Opferaltar. Siedler können Waren oder Gold spenden, um sich zeitweise einen Vorteil zu verschaffen - sei es, um die eigene Produktion zu beschleunigen oder gegnerische Angriffe zu vereiteln. Die Geschenke an die Götter sind jedoch kostspielig - man sollte also genau abwägen, ob man deren Segen in Anspruch nimmt oder mit den Rohstoffen lieber die eigene Siedlung ausbaut.

Trotz der Neuerungen werden "Siedler"-Veteranen mit der Spielmechanik schnell zurechtkommen - Einsteiger hingegen stehen erst mal ratlos da. Lediglich ein paar lieblose Texte erklären die ersten Schritte, während man mit der Komplexität von Wegesystemen und Wirtschaftskreisläufen völlig allein gelassen wird. "Aufbruch der Kulturen" präsentiert sich zwar als Titel, der auch Casual Gamer ansprechen dürfte, macht diesen den Zugang aber unnötig schwer. Ähnliches gilt für die Steuerung: Statt alle Features in ein kompaktes Menü zu packen, werden die Funktionen auf Menüs am oberen und unteren Bildschirmrand verteilt. Das Setzen von Flaggen und der Straßenbau erfolgt wiederum über die rechte Maustaste. Die Folge: unter anderem nervige Fehlklicks beim Gebäudebau. Intuitiv ist anders.

Die Präsentation ist wie gewohnt putzig, doch wurden auch alte Schwächen der "Siedler"-Reihe nicht ausgemerzt. Das indirekte Spielprinzip verdammt einen oft für längere Phasen zum Zuschauen - auch bei militärischen Aktionen mit Nah- und Fernwaffen sowie Katapulten sind die Eingriffsmöglichkeiten sehr begrenzt. Ebenfalls nervig: die zahlreichen "Zwischensequenzen", die ständig den Spielfluss mit bemüht witzigen Dialogen zwischen handpuppenartigen Kasperlfiguren am unteren Bildschirmrand unterbrechen. Gerade bei den Bajuwaren prägt deutscher Holzhammerhumor und ein gekünstelter Akzent die Dialoge, der nur schwer erträglich ist.

Die Siedler - Aufbruch der Kulturen

Hersteller/Vertrieb

Funatics Software/Ubisoft

Genre

Strategie

Plattform

PC

Preis

ca. 50 Euro

Altersfreigabe

o.A.

Fazit: "Aufbruch der Kulturen" wirkt gelungener als "Die nächste Generation", ist aber dennoch nicht ganz "rund". Hauptmanko bleibt die umständliche Steuerung, die es noch nicht mal erlaubt, Gebäude beim Platzieren zu drehen. Neulinge vermissen ein brauchbares Tutorial und alte "Siedler"-Hasen mögen sich fragen, ob der zweite Aufguss eines Klassikers tatsächlich als Vollpreisspiel über die Ladentische wandern muss.

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Herbert Aichinger/Teleschau

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