"Shadow of the Colossus" David und die 16 Goliaths

Einsamkeit muss nicht zwangsläufig öde sein. Manchmal erzeugt sie eine tolle Atmosphäre - wie bei "Shadow of the Colossus", dem etwas anderen Action-Adventure aus Japan.

"Shadow of the Colossus" ist, und das sei vorweg gesagt, ein Game fernab breit getretener Genre-Pfade. Ein Action-Adventure, gewiss. Aber ein außergewöhnliches. Nur auf den ersten Blick wirkt der inoffizielle Nachfolger der unterschätzten Perle "Ico" wie eine sture Aneinanderreihung von Endgegnerkämpfen. Denn zwischen den Duellen mit den Titanen passiert nicht viel.

Von einem mystischen Tempel ausgehend, in dem das tote Mädel aufgebahrt wurde, reitet der namenlose Held auf seinem treuen Gaul Agro durch eine gewaltige, wenngleich verlassene Welt. Keine Menschenseele weit und breit. Entsprechend klein fällt die Zahl der Dialoge aus. Rätsel? Gibt's auch nicht. Zeitraubendes Kleinvieh? Fehlanzeige. Nebenquests? Nö. Langweilig? Keineswegs! Hier wird eindrucksvoll das Gefühl der Isolation vermittelt. Niemand kann dem jungen Kerl helfen, nur der Spieler.

Um in den endlosen Grassteppen, verwinkelten Schluchten und düsteren Wäldern nicht den Überblick zu verlieren, besitzt der Held ein Schwert. Das ist Waffe und Navigationssystem zugleich: Reckt er es in die Sonne, weist ein Lichtstrahl grob den Weg zum nächsten Riesen ...

Wurde einer entdeckt, ist's vorbei mit der Ruhe. Dafür nimmt die Ratlosigkeit zu: Wie, bitte schön, soll man einen 50 Meter hohen Steinkoloss besiegen? Mit Pfeil und Bogen wohl kaum. Klare Sache: Indem man ihn besteigt - und seine wunden Punkte so lange mit dem Schwert malträtiert, bis er das Zeitliche gesegnet. Ehe der Spieler aber auch nur in die Nähe der Schwachstellen gelangt, ist viel Fantasie, Cleverness und Ausdauer gefragt. Doch genau darin liegt der Reiz des Games: Wie lassen sich die Kreaturen - von ebenso mächtigen wie skurrilen Vögeln über haushohe Minotauren bis hin zum monumentalen Keulenschwinger - knacken? Während die ersten noch relativ leicht zu durchschauen sind, beißt man sich später die Zähne aus ...

Hat man einen Weg gefunden, um auf den Riesen zu gelangen, kommt ein weiteres Talent des Jünglings zum Tragen: das Klettern. Geschickt wie der "Prince of Persia" hangelt er sich an knochigen Strukturen oder Teilen der Rüstung entlang, klammert sich derem Fell fest und sucht nach geeigneten Stellen, an denen er seine schwindenden Kräfte regenerieren kann. Erholung tut zwingend Not - vor allem, wenn die urigen Viecher gemerkt haben, dass sich ein lästiger Zwerg an ihrer Zottelmähne hochzieht. Dann schütteln sie sich aufs Heftigste oder greifen zu anderen fiesen Tricks.

Ein weiteres, nicht minder kleines Problem: die suboptimale Kamerasteuerung. Und wenn wir schon am Meckern sind: So eindrucksvoll die Titanen und die weitläufige Welt, in der sie sich tummeln, auch sein mögen, so übel ist teilweise das Flimmern der unscharfen Grafik. Schade, dass das Game nicht auf der Xbox 360 erschienen ist. Nichtsdestotrotz ist "Shadow of the Colossus" mehr als nur einen Blick wert - zumal außergewöhnliche Spielkonzepte im Reigen der Nachfolger, Updates und Neuauflagen ohnehin eine Rarität sind.

Shadow of the Colossus

Hersteller/Vertrieb

Sony/Sony

Genre

Action

Plattform

PlayStation2

Preis

ca. 60 Euro

Altersfreigabe

ab 12 Jahren

Kleiner Einkaufstipp am Rande: "Ico" erscheint zeitgleich als Budget-Titel. Zugreifen!

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Gerd Hilber/Teleschau

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