Scheibes Kolumne Rauchen ist... cool?

Kolumnist Scheibe gab das Rauchen bereits vor Jahren auf. Die neue Anti-Raucher-Kampagne der Bundesregierung sorgt allerdings dafür, dass es in den Fingern wieder kribbelt. Der Coolness-Faktor beim Rauchen steigt in letzter Zeit wieder deutlich an.

Leicht ist es, mit dem Rauchen anzufangen. Schwer, es am Ende wieder sein zu lassen. Vor ein paar Jahren habe ich endgültig damit aufgehört, die Luft zu verpesten. Vor allem der Kinder wegen. Ein, zwei Monate danach war der Gedanke rund um die Uhr im Kopf: Ach, steck dir doch ruhig wieder eine an. Es war doch so schön, die raue Welt durch den beruhigenden blauen Dunst des brennenden Tabaks wahrzunehmen. Dann erinnerte ich mich wieder an den metallischen Nikotingeschmack auf der Zunge, die stinkenden Klamotten, die Kreislaufeinbrüche. Nein, Danke. Inzwischen geht es. Auf Partys denke ich aber noch immer: Was will ich hier eigentlich, wenn ich doch gar keine Zigarette rauchen kann?

Damals war Rauchen kein Statussymbol...

Mit dem Paffen aufzuhören, war nicht ganz so schwer wie ursprünglich gedacht, weil das Rauchen in den letzten Jahren irgendwie uncool geworden war. Die Packungen der Zigaretten sahen einfach zu billig und prollig aus. Selbst das weltmännische Flair der Davidoff-Zigaretten zog nicht mehr. Überhaupt: Zum Preis von knapp zwei Euro konnte sich jeder Depp eine Packung Kippen leisten. Zu rauchen, das was war kein Statussymbol, das war einfach nur etwas, das man machte oder sein ließ.

... aber heute?

Heute ist das ganz anders. Die Zigaretten sind dank der Steueraufschläge deutlich teurer geworden. In der Folge denkt man viel stärker darüber nach, ob man sich eine neue Schachtel zulegt oder nicht. Der Pöbel kann sich das Schmöken nicht mehr leisten. Insofern wird der Akt des Rauchens an und für sich deutlich aufgewertet. Wer raucht, der kann es sich anscheinend auch leisten. Die Zigarette als Statussymbol - im Verbund mit dem neuesten Handy, dem neuen Auto, den neuen Nobelklamotten. Haben Kippen wohl bald diesen Edelfaktor wie der 18 Jahre alte Glen Morangie Whiskey, der zu besonderen Anlässen hervorgeholt und dann ganz schweigsam von allen genossen wird?

Schwarzer Humor ist jedem Süchtigen zueigen

Jeder Raucher weiß, wie schädlich das Paffen am Filter ist. Doch jeder Raucher fühlt sich zugleich auch unsterblich und nicht selbst angesprochen. All die schlimmen Krankheiten, die treffen doch immer nur die anderen. Und so bringen die neu auf die Zigarettenschachteln aufgedruckten Sprüche wie "Rauchen tötet" überhaupt nichts. Sie werden vom Raucher ohne messbare Emotion wahrgenommen. Genauso gut könnte man die Stäbchen auch in einem zurechtgeschnittenen Stück schwarzen Lungengewebes anreichen - das hielte doch keinen Raucher vom Inhalieren ab. Eine gehörige Portion Schwarzer Humor ist schließlich jedem Süchtigen zueigen.

Doch jetzt kommt es. Längst gibt es einen neuen Trend, der das Rauchen wieder richtig cool werden lässt. Plötzlich bieten Online-Homepages wie etwa "Zigarettenetiketten.de" kostenlose PDF-Dateien zum Herunterladen an. Sie enthalten Dutzende schwarzweißer Alternativ-Warnschilder, die sich ausschneiden und über den ursprünglichen Warnhinweis auf einer Zigarettenschachtel kleben lassen. Und auf einmal wird die Kippenschachtel zur coolen Flirthilfe. Auf den Schachteln steht dann "Paffen tut gut", "Light my Fire", oder "Das löst sich ja eh in Rauch auf". Die Sprüche sind lustig, eindeutig Pro zum Rauchen eingestellt - und megacool obendrein.

Zippenschachteln zum Selberbauen

Schon schnipselt die halbe Nation die witzigen Schilder aus den PDF-Vorlagen aus, um die eigenen Zigarettenschachteln in Form zu bringen. Der Trend wächst sich gerade im Computerumfeld aus. Software-Hersteller S.A.D. bietet bereits den "Fluppen Drucker" auf CD-ROM an. Das Programm ist dazu in der Lage, selbstgestaltete Zigarettenschachteln und Hüllen auszudrucken. 222 Vorlagen und zwei Blatt Selbstklebepapier liegen dem Produkt bereits von Hause aus bei.

Die Bemühung der Regierung, die Raucher mithilfe der großen Texttafeln von der Kippe fernzuhalten, schlägt also glatt ins Gegenteil um. So mancher Nichtraucher würde nur allzu gerne extra mit dem Rauchen anfangen, um diesen Trend mitleben zu können. Geschickter geht da schon die Schweizer Gesundheitsbehörde vor. Sie bietet auf der Homepage "Rauchen schadet" das kostenlose Werbespiel "Smoke Attack 2" an. Hier steuert der Spieler eine Figur namens Oxy (Oxygen = Sauerstoff) durch den Wilden Westen, um überall die glimmenden Zigaretten auszuschießen. Hier wird also aktiv Stimmung gegen die Zigarren gemacht. Vielleicht wäre das auch in Deutschland der bessere Weg gewesen

Eine Glosse von Carsten Scheibe

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