Scheibes Kolumne Schwager Ingo ruft an

Seitdem unser neuer Mitarbeiter Karsten bei uns schuftet, steht das Telefon nicht mehr still. Am Apparat ist sein Schwager Ingo. Der sucht nach einem neuen Verhältnis zur Technik und erfragt deswegen unseren kompetenten Rat.

Seitdem unser neuer Mitarbeiter Karsten bei uns schuftet, steht das Telefon nicht mehr still. Am Apparat ist aber kein neuer Auftraggeber, der uns lukrative Verträge unterschieben möchte, sondern Karstens Schwager Ingo. Der sucht nach einem neuen Verhältnis zur Technik und erfragt deswegen unseren kompetenten Rat.

Dramatische Melodie = Ingo

Karsten sitzt seit einigen Monaten mit bei uns im Redaktionsbüro. Er sucht nach neuer Shareware im Internet, stellt CDs zusammen und lässt sich immer dann grinsend mit der Digitalkamera fotografieren, wenn wir wieder einmal ein gestelltes Foto für ein Buch- oder Zeitschriftenprojekt benötigen. Neben seiner Tastatur stehen ein Foto seiner Familie und eine Tankstellenplastiktonne mit besonders weichen Gummibärchen. Daneben liegt sein Handy. Das dudelt immer mit einer anderen Melodie, je nachdem, wer gerade dran ist. Für seinen Schwager Ingo hat Karsten eine besonders dramatische Musik einprogrammiert, die uns übrige Kollegen immer sofort stramm sitzen lässt. Inzwischen wissen wir bereits anhand der ersten Piepser, dass da niemand anderes als Karstens Schwager Ingo dran ist.

"Schaulandt"-Einkäufe ohne Ende

Ingo nutzt seine Zeit, um sich intensiv mit der neuesten Technik vertraut zu machen. An dem einen Tag ruft er etwa von unterwegs aus an, weil unser lokales "Schaulandt" einen Ausverkauf startet. Soll er lieber die Espressomaschine oder das Cappuccino-Gerät zum 50-Prozent-Rabatt kaufen? Wir beraten und entscheiden für ihn: Dann lieber doch den Cappuccino. Der hält wenigstens länger in der Tasse vor. Der Gang zum "Schaulandt" wird bei Ingo anscheinend zur Tageseinrichtung. Schon bald heißt es von Karsten im Büro: "Ratet mal, wo mein Schwager gerade ist?" Gregor und ich wissen Bescheid: "Im Schaulandt". Hier holt sich der Schwager in schneller Folge einen DVD-Player, einen LCD-Monitor für seinen Rechner und – wir haben es schon wieder vergessen, es war einfach zu viel. Eine digitale Kamera hat er anscheinend schon.

Wieder klingelt das Handy. "Mein Schwager", ruft Karsten, aber wir wissen das schon. Ein neues Problem: Der neue Rechner von Ingo weigert sich, DVD+Rs einzulesen. Und das wäre doch wichtig. Sehr wichtig. Wir fragen nach, ob er denn so viele DVD+Rs besitzen würde, die er nun nicht einsetzen kann. Aber nein, hier geht es ums Prinzip. Ein DVD-Laufwerk muss DVD-Rs und DVD+Rs einlesen können. Leider wissen wir da auch keinen Rat. Ein klein wenig argwöhnen wir bereits, dass Ingo uns nach all seinen PC-Fragen, die wir ihm nicht beantworten können, ein wenig die Kompetenz abspricht. Er ruft nur noch dreimal am Tag an und nicht viermal. Fast sehe ich ihn schon mit seiner Frau auf dem Sofa sitzen und sagen: "Richtig die Ahnung haben die aber auch nicht."

Geld verdienen mit Schwager Ingo

Doch unsere große Stunde kommt. Schwager Ingo möchte mit seinem "Outlook Express" von einem Rechner auf den anderen umziehen. Wir erklären ihm, dass "Outlook Express" für die gesammelten E-Mails im Postein- und -ausgang eigene Dateien anlegt, die man aber nicht besonders leicht findet. Schritt für Schritt geben wir durch, wie die Dateien zu finden, umzukopieren und dann vom neuen "Outlook" wieder zu importieren sind. Einen Tag später bimmelt das Handy wieder. Einmal mehr sorgt die infernale Musik dafür, dass wir sofort alle aktuellen Arbeiten unterbrechen. Schwager Ingo meckert. Wir hätten ihm Quatsch erzählt, nix funktioniert. Nach einem langen Trara am Telefon folgt die Erkenntnis: Ingo hat nicht richtig zugehört. Er hat die Dateien auf CD gebrannt und dann einfach am neuen Rechner in das Outlook-Verzeichnis kopiert. Dank des gesetzten Schreibschutzes konnte "Outlook" die Dateien nicht mehr bearbeiten und versagte seinen Dienst. Schreibschutz weg: Alles geht wieder. Ingo ist dankbar und wir nutzen die getätigte Zeitinvestition, um einen entsprechenden Workshop für ein XP-Computerheft zu schreiben. So bringt uns Ingo noch ein wenig Geld ein.

"Test Test Test"

Schwager Ingo gibt aber nicht auf und kämpft sich weiter durch die Wunderwelt der Technik. Er versucht uns eine E-Mail zu schreiben, weil er gerade Mitglied bei einem kostenlosen Online-Anbieter geworden ist. Leider kommt die Mail bei uns nicht an, weil es Karstens E-Mail-Adresse laut der Rückmeldung anscheinend gar nicht gibt. Also bekomme ich stattdessen die ersten Mails mit "Hallo?" und "Test Test Test". Ich maile zurück "Ingo, geht doch alles", aber gleich klingelt wieder das Telefon. Orchestrale Musik, der Schwager, Karsten sagt: "Er möchte wissen, warum es mit der einen E-Mail-Adresse geht und mit der anderen nicht." Gregor und ich zucken mit den Schultern und zwingen Karsten dazu, sein Handy abzustellen: Ein dringender Abgabetermin fordert unsere Aufmerksamkeit. Kurz darauf klingelt unser normales Bürotelefon. Auf dem Bildschirm des ISDN-Anrufmonitors steht: "Rufnummer unbekannt". Karsten hebt ab, horcht kurz, zuckt entschuldigend die Schultern und sagt: "Mein Schwager".

<a class="link--external" href="mailto:scheibe@typemania.de">Carsten Scheibe</a>

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