Kolumne - Neulich im Netz Akkordeon Revolutions: Die Matrix ist überall

Agent Smith ist längst angekommen in dieser Welt. Real ist digital und anders rum. Ein Blick ins Web genügt: Er sieht immer gleich aus, benutzt aber einen anderen Namen. Smith nennt sich nun "Alleinunterhalter".

Agent Smith ist längst angekommen in dieser Welt. Real ist digital und anders rum. Ein Blick ins Web genügt: Er sieht immer gleich aus, benutzt aber einen anderen Namen. Smith nennt sich nun "Alleinunterhalter".

Ein virtueller Suchlauf, und schon wird Ahnung zur Gewissheit: Smith ist da und diesmal macht er Ernst. Statt weißem Hemd und Krawatte, schwarzem Anzug und Sonnenbrille trägt er jetzt ein weißes Hemd und Fliege, Mittelscheitel und Oberlippenbart. Manchmal tarnt er sich mit einer Zahnlücke und Glitzerjackett, mal zieht er Frauenkleider an und onduliert sich das Haupthaar. Es ist schrecklich. Es gibt kein Entrinnen.

Es gibt keinen Grund, sich sicher zu fühlen, bloß weil man Smith nie als lebende Orgel oder Quetschkommode zu seiner Geburtstagsfeier, zur Hochzeit oder Taufe der Kinder engagieren würde. Spätestens zum Begräbnis sitzt er beim Sarg. Und wenn nicht da, dann beim Leichenschmaus. Es ist grauenhaft. Neo und Trinity und der andere, der überlebt, wussten gar nicht, wie glücklich sie waren, keinen Schimmer zu haben. Von nichts, von gar nichts, und erst recht nichts von Smiths eigentlicher Mission. Alles vorprogrammiert. Auf Diskette.

Letzte Helden aus vergangenen Zeiten

Alles Quatsch. Denn Alleinunterhalter sind die letzten Helden einer längst vergangenen Zeit. Sie sind aber nicht nur Heroen aus einer Zeit, in der man noch schwarzweiß Urlaub machte und das Spulentonbandgerät mit Monoklang in ausgewählten Fachgeschäften zu haben war. Nein, sie sind zeitlos und somit unsterblich. Moden und Zeitgeist können sie nicht beeindrucken, das sieht man schon an ihrem geschmacksresistenten Äußeren. Das wird aber auch deutlich durch "moderne Lichteffekte, blendfrei aufgestellt als Beitrag zu einem stimmungsvollen Ambiente". Oder die unerträglichen Hörproben, die sie auf ihren Homepages zu Folterzwecken bereitstellen.

Thomas Hirschbiegel

Kolumnist für stern.de seit 1997 - und das H der H&A medien: Redaktion, Public Relations und Online-Konzepte.

Niemand zieht rechtzeitig den Stecker

Da kann man sich nicht wehren. Da kann sich keiner wehren. Denn es ist einfach Zauber, bei Burkhard oder Günther, bei Gerd oder Rüdiger, bei Erika und Walter und wie sich Smith sonst noch nennt. Ja, es ist Smith. Es war immer Smith. Diskette ins Keyboard mit "It's Raining Men", "Just a Gigolo", "Tulpen aus Amsterdam" und dem vierten Lied, das klingt wie alle anderen auch. Start gedrückt, so tun als ob und dazu einen schönen Halleffekt über die Stimme gelegt für bessere Töne. Und immer und immer wieder das selbe Lied, bis die Gäste panisch nach dem Autoschlüssel suchen oder vor lauter Verzweiflung so lange saufen, bis der Knacks kommt im Kopf und ihr Blick starr wird. Opfer der Matrix, weil keiner den Stecker zieht.

... "Sie ist eine bühnenerfahrene Künstlerin und begeistert mit Songs und Medleys aus den Bereichen Jahrzehnte-Hits (von den 20ern bis zu den 90ern), von Stimmung, Seefahrt, Mundart, Schlager, Alpenland und Country über bekannte und beliebte Duett-Hits bis hin zu Top-Hits zum Mittanzen, Zuhören oder Mitsingen." ... "Ob Volksmusik, Oldies, Evergreens, Tanzmusik, Stimmungsmusik, Musik aus den Charts, dies bunt gemixt und mit Gesang zum richtigen Zeitpunkt angereichert, ist ein wesentlicher Punkt für eine gelungene Veranstaltung." ...

Smith ist überall.

<a class="link--external" href="mailto:stern@ha-net.de">Thomas Hirschbiegel</a>

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