Editorial Amerikas neue Rivalen

Condoleezza Rice zählt zu den klügeren Köpfen der USA. Weltgewandt und wortgewaltig, wie sie ist, erklärt die Sicherheitsberaterin ihrem Präsidenten immer wieder geduldig die komplizierte Welt.

Liebe stern-Leser!

Condoleezza Rice zählt zu den klügeren Köpfen der USA. Weltgewandt und wortgewaltig, wie sie ist, erklärt die Sicherheitsberaterin ihrem Präsidenten immer wieder geduldig die komplizierte Welt. Möglichst in einfachen Sätzen. "Am wenigsten mag er, wenn ich sage: ‚Dieses Problem ist sehr komplex.‘" Das Zitat aus unserem Porträt über die derzeit wohl wichtigste Frau der Welt lässt ahnen, warum George W. Bush nicht die Lösung, sondern Teil des Irak-Problems ist. Einfache Botschaften werden den komplexen Schwierigkeiten im Nahen Osten nicht gerecht. "Condi" gibt sich alle Mühe, aber am Ende teilt der US-Präsident die Welt doch immer nur in Gut und Böse auf. Und ihre Intelligenz schützt Mrs. Rice auch nicht davor, die platten Losungen ihres Chefs zu feiern.

Doch schlau genug ist der amerikanische Präsident, den Feldzug gegen Saddam Hussein mit dem Kampf gegen den Terror zu legitimieren. Natürlich ist den Pentagon-Strategen bekannt, dass Terroristen keinen Staat brauchen. Würden die Amerikaner den Irak besetzen, wäre der Terror noch lange nicht gestoppt. Von bin Laden fehlt weiterhin jede Spur. Und sein Vertrauter Sauahris rief erst kürzlich in der arabischen Zeitung "El Hajat" zur Fortsetzung des "Heiligen Krieges" und zur Ermordung von Amerikanern auf.

Aber Bush ist auch darauf aus, dem flammenden Amerika-Hass entgegenzutreten, der mit den Anschlägen vom 11. September seinen zerstörerischen Ausbruch fand. Hass eint die Feinde der Weltmacht, im Gazastreifen oder an der Universität von Kairo, im Jemen oder im Iran. Hass auf alles Amerikanische gedeiht vorzüglich in islamistischen Ideologien. Und so hat das Weiße Haus nach dem Zerfall der Sowjetunion ein neues Feindbild gefunden: die Islamisten als die neuen Rivalen Amerikas.

Da man Hass aber nicht mit Raketen abschießen kann, muss ein Ziel her: Ein Land mit Grenzen, mit Menschen, aus denen man tote Feinde machen kann. Seine Reden krönt der Präsident, selbst tief religiös, immer wieder mit den Worten "God bless America". Das legt den Gedanken nahe, dass die US-Army gegen Saddam Hussein auch einen Stellvertreterkrieg führt: für den Christen-Gott gegen Allah. Denn wer an Allah glaubt, der hasst Amerika.

Abseits dieser Gemütslage muss mit den Indizien, die jetzt im Sicherheitsrat auf dem Tisch liegen, verantwortungsvoll umgegangen werden. Verantwortungsvolle Politik wägt ab zwischen Chancen und Risiken. Den finsteren Diktator, der Hussein unbestritten ist, mit andauerndem politischem Druck und Sanktionen zumindest in Schach zu halten bietet langfristig die besten Chancen auf Stabilität. Dagegen steht das Risiko eines Krieges mit Tausenden Toten, katastrophalen Folgen für die Weltwirtschaft und - noch mehr Hass auf Amerika.

Herzlichst Ihr Andreas Petzold