Editorial Beck und das Recht auf Respekt

Liebe stern-Leser!

Wir müssen uns erneut mit dem SPD-Vorsitzenden Beck befassen. Um ihn kreisen nahezu alle aktuellen politischen Diskussionen, die es in die Schlagzeilen schaffen. Putschgerüchte werden kolportiert und dementiert. Die zum Beck-Fanclub zählende Andrea Nahles lässt es zu, dass ihre Mitarbeiterin mit Genossen eine Abordnung der Linkspartei intensiv beschnuppert, und bringt damit ihren Chef in Nöte. Dann Becks Rolle rückwärts beim Thema Altersteilzeit: Erst beschließt die SPD die Rente mit 67 und das Auslaufen der Altersteilzeit-Regelung Ende 2009, erzwungen vom demografischen Wandel und dem Loch in der Rentenkasse. Und jetzt plötzlich wieder Teilrente für alle ab 60. Es misslingt dem Pfälzer zu viel. Bei der Fehlersuche ist Beck nun fündig geworden: Wir, die Journalisten, sind das Problem (lesen Sie dazu auch den Zwischenruf, Seite 36). Insbesondere die aus Berlin, aus der verhassten Hauptstadt. Die würden sich nie für Inhalte interessieren, sondern nur für Taktik und Intrigen. Das ist nicht falsch, aber auch nicht richtig. Denn jene Seifenoper, die auf der Sozibühne gerade läuft, ist nur so gespickt mit Taktik und Intrigen. Wenn dem Parteichef der Realitätssinn über Nacht abhandenkommt - Beispiel Altersteilzeit - und stattdessen Symbolpolitik beschlossen wird, dann ist das auch Taktik. In diesem Fall handelt es sich um eine Opfergabe an die Gewerkschaften und die von der Agenda 2010 gebeutelte Parteibasis. Und den linken Wählern soll signalisiert werden: Wir können auch sozial!

Ein Satz, den Beck vergangene Woche während seiner Pfälzer Sommerreise auf die mitgereisten Reporter abfeuerte, ließ besonders aufhorchen: "Ich möchte wenigstens einen Hauch ernst genommen werden, da hat jeder Mensch ein Anrecht drauf!" Als wär's ein Satz aus der Präambel der rheinlandpfälzischen Verfassung, so klang das. Fast schon rührend. Doch Respekt lässt sich nicht trotzig einfordern. Gerade ein Parteichef muss ihn sich erarbeiten - durch Führung, inhaltliche Linie, politische Substanz, Freude an der Kommunikation. Wie es darum steht, haben sich stern-Reporter Jens König und Fotograf Michael Trippel genauer angeschaut. Vier Wochen hefteten sie sich an Becks Fersen. Auch ein langes Gespräch mit dem Gescholtenen aus Mainz ergab sich dabei. Heraus kam, was Beck einfordert: ein differenziertes Bild (Seite 28).

Vom Politik-Zoo in die echte Tierwelt: Wie es den Zootieren in Deutschland wirklich geht, hat der stern vor acht Jahren in 39 deutschen Tiergärten untersucht. Ergebnis damals: Die meisten Anlagen sind längst keine Tierknäste mehr. Nun war es Zeit, ein zweites Mal hinzuschauen. Hat die positive Entwicklung angehalten? Zehn Wochen lang, von Ende März bis Mitte Juni, war ein stern-Team in den 50 wichtigsten deutschen Zoos unterwegs. Das umfassende Testkonzept haben die beiden international renommierten Zoo-Experten Harro Strehlow und Herman Reichenbach entwickelt, unterstützt vom langjährigen Direktor des Wiener Tierparks Schönbrunn, Professor Helmut Pechlaner. Gemeinsam mit stern-Reporter Rupp Doinet begutachteten und bewerteten Strehlow und Reichenbach jedes einzelne Gehege und dessen Bewohner, notierten sich die Größe der Anlagen, untersuchten, ob ausreichende Nist- und Versteckmöglichkeiten für die Tiere vorhanden sind und ob sie ihre Instinkte artgerecht ausleben können. stern-Fotograf Harald Schmitt dokumentierte die besten und schlechtesten Gehege mit der Kamera. Das Ergebnis dieses Tests: Immer mehr Tiergärten bemühen sich um die Rettung bedrohter Tierarten. Sie bieten ihren Bewohnern viel Platz und möglichst optimale Bedingungen - und damit uns Menschen ein nachhaltiges und oft fantastisches Erlebnis (Seite 39).

Herzlichst Ihr
Andreas Petzold

print