Meinung Der neue Basta-Kanzler

Na, wie habe ich das gemacht? Kanzler Friedrich Merz (r.) mit Finanzminister Lars Klingbeil am Freitag im Bundestag
Na, wie habe ich das gemacht? Kanzler Friedrich Merz (r.) mit Finanzminister Lars Klingbeil am Freitag im Bundestag
© Andreas Gora / ddp
Kanzlermehrheit: Friedrich Merz hat sich durchgesetzt – mit Druck, ohne Argumente. Das ist ein Erfolg mit Schönheitsfehlern, die ihm noch zu schaffen machen werden.

Der Kanzler sprach: "Das werden wir tun, weil das notwendig ist. Da kann man noch so viel erzählen. Es ist notwendig und wir werden es machen. Basta!" So redete Gerhard Schröder am 5. November 2000 zu empörten Gewerkschaftern. Er verteidigte damit die Rentenreform der rot-grünen Regierung und erwarb sich den Titel des Basta-Kanzlers. 25 Jahre und genau einen Monat später hat Schröder in Friedrich Merz zumindest in diesem Amt erstmals einen echten Nachfolger gefunden.

Friedrich Merz gewinnt im Schlussspurt

Das schwarz-rote Rentenpaket ist beschlossen, Merz hat im Schlussspurt eine Kanzlermehrheit erzielt, wonach es lange nicht aussah. Der Widerstand der Jungen Gruppe ist unter dem Druck des CDU-Vorsitzenden fast völlig zusammengebrochen. Das ist geradezu ein Triumph für Merz. Jedenfalls für den Moment.

Nein, er hat nie basta gesagt. Aber er hat es gemeint, immer wieder: als er sich plötzlich weigerte, das Gesetzespaket noch einmal aufzuschnüren, und sich damit auf die Seite der SPD stellte; als er auf dem Deutschlandtag der Jungen Union den Kritikern zu ihren Forderungen zurief: "Das kann doch nicht Euer Ernst sein!"; als er nach dem Votum in der Fraktion dekretierte, die Sache sei nun beschlossen und werde durchgezogen; als er am Vortag der Abstimmung des Bundestages die Latte auf die höchstmögliche Höhe legte und eine Kanzlermehrheit einforderte. Am Ende hat er sich durchgesetzt – sein Wille geschehe.

Trotzdem hat dieser Erfolg für Merz ein paar Schönheitsfehler. Erstens: Der Aufwand, den er betreiben musste, war gewaltig. Der Kanzler hat wegen eines technischen Details in der Rentenberechnung, das erst nach 2031 und nach mindestens einer weiteren Bundestagswahl wirksam wird, Treue zum Koalitionsvertrag gefordert, Stabilität in der Regierung verlangt, sogar die Weltlage als Begründung herangezogen – nur eines war von ihm in der ganzen Debatte um die Haltelinie des Rentenniveaus nicht zu hören: irgendein inhaltliches Argument.

Der respektable Auftritt des Kritikers

Nein, Argumente kamen nur von den Jungen in der Union, zuletzt in der couragierten Rede des Widerständlers Pascal Reddig am Freitag im Bundestag – und es waren alles Argumente, die Merz noch vor wenigen Monaten komplett unterschrieben hätte. Es dürfte für den Kanzler kein sehr schöner Anblick gewesen sein, von seiner Regierungsbank aus zu sehen, wie viel Kopfnicken und Applaus Pascal Reddig in der Unionsfraktion erhielt. Das war auch ein Signal an Merz, den Bogen der Zumutungen an die eigenen Leute nicht zu überspannen.

Zweitens: Wessen Sieg ist das eigentlich wirklich? Friedrich Merz hat die Kanzlermehrheit eingefordert und erhalten. Aber für das Organisieren der Mehrheiten ist bekanntlich der Fraktionschef verantwortlich. Wenn also Jens Spahn schuld war, als die Mehrheit einst für eine unliebsame Verfassungsrichterin nicht stand – ist er dann nicht umgekehrt auch für das gute Ergebnis am Freitag verantwortlich? War es nicht Jens Spahn, der diesmal für den Kanzler die Kohlen aus dem Feuer geholt hat? Mindestens er selbst wird das so sehen. Das wird dem Vertrauensverhältnis, das es zwischen einem Kanzler und seinem Fraktionschef grundsätzlich geben muss, nicht dienlich sein. Die Loyalität zwischen Merz und Spahn ist durch den Rentenstreit eher zusätzlich belastet als gestärkt worden.

Drittens: Friedrich Merz musste jetzt schon viel investieren für eine Reform, die niemandem etwas abverlangt. Die Veränderungen der Sozialsysteme, die womöglich Einschnitte bedeuten werden, Kürzungen, Belastungen, die stehen ihm noch bevor. Das verbindet ihn mit dem ersten Basta-Kanzler Schröder, der seine Agenda 2010, also die echte Reform der Sozialsysteme, erst zweieinhalb Jahre nach dem ersten Basta verlas.

Anders gesagt: Das wirklich harte Regieren steht Merz erst noch bevor. Und es wird nach diesem Sieg nicht leichter.

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos