High Noon also, heute Mittag stimmt der Bundestag über das vermaledeite Rentenpaket ab. Eines steht schon fest, egal, wie die Abstimmung ausgehen mag: Dieser Streit muss Folgen haben. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass der Koalition wegen ein paar rebellischer Jung-Unionisten die eigene Mehrheit fehlen sollte (was unwahrscheinlich, aber bis zuletzt nicht ausgeschlossen ist). Dies gilt ausdrücklich auch für den Fall, dass es gerade noch mal gutgehen sollte.
Dieser Streit hat die Koalition nach nicht einmal sieben Monaten an den Rand ihrer Existenz geführt. Das muss Konsequenzen haben. So wie bisher kann es auf keinen Fall weitergehen. Auf diese Weise bringt die Koalition nie auch nur eine nennenswerte Reform zustande. Vor allem: So hält diese Koalition keine vier Jahre durch.
Wenn sich der Staub dieses Streits also gesetzt haben wird, sollten sich alle Seiten ernsthaft befragen, was und wie sie sich ändern wollen. Weil sie es müssen.
Es fängt ganz oben an, beim Kanzler
Es fängt ganz oben an, beim Kanzler. Friedrich Merz braucht dringend ein Frühwarnsystem, das ihn verlässlich und rechtzeitig auf drohende Konflikte hinweist. Dies gilt sowohl für Konflikte in der Koalition als auch – wie in diesem Fall – für Konflikte mit oder innerhalb der eigenen Fraktion.
Von Vorteil wäre ein Kanzleramtschef, der einfach seinen Job erledigt. Nützlich wäre ein Unionsfraktionschef, der sich den Respekt und das Vertrauen seiner zunehmend aufmüpfigeren Truppe verdient. Die wiederum sollte lernen, selbst zu erkennen, wie weit man einen politischen Streit treiben kann – damit am Ende nicht wieder der Kanzler eine unausgesprochene Vertrauensfrage stellen muss, um seine Mehrheit im Parlament zu sichern, die ihm ausgerechnet die eigenen Leute verwehren.
Gelingt all das nicht, müsste sich die Union die Frage gefallen lassen, ob sie überhaupt regierungsfähig ist.
Das entlässt die Sozialdemokraten nicht aus der Verantwortung. Ja, in diesem Streit mögen sie formal im Recht gewesen sein – der Koalitionsvertrag gibt ihre Lesart her, der Koalitionspartner hat ihrer Linie im Kabinett zugestimmt –, aber dieses Recht ist teuer erkauft.
Da ist zum einen das offene Misstrauen, das der SPD nicht allein von jüngeren Unionsabgeordneten entgegenschlägt, die zurecht infrage stellen, warum sie heute beschließen müssen, was doch schon ab morgen grundsätzlich neu gedacht werden soll. Da ist zum anderen der Renten-Populismus, mit dem sich Klingbeil, Bas und Co. bei ihren schwindenden Wählern anzubiedern versuchen. Nein, es wird keine Rentenkürzungen geben, weil das gesetzlich verboten ist. Dafür werden sie den Menschen bald erklären müssen, warum es – Haltelinie hin oder her – ganz ohne Einschränkung doch nicht gehen wird.
Andernfalls müsste sich die SPD die Frage gefallen lassen, ob sie überhaupt reformwillig ist.
Das Rentenpaket ist ein Rentengeschenk, keine Reform
Denn wenn in der Daueraufregung der letzten Tage eines in den Hintergrund getreten ist, dann die traurige Tatsache, dass dieses Rentenpaket keine Rentenreform ist, sondern ein Rentengeschenk. Hier wird weder gespart noch die Demografie gefestigt, hier wird weiter munter Geld verteilt.
Es handelt sich um ein teures, dreiteiliges Präsent, mit dessen Hilfe alle drei Koalitionsparteien je ein Wahlversprechen umsetzen dürfen. Nicht nur die Haltelinie der SPD kostet Geld (bis zu 120 Milliarden in zehn Jahren ab 2032), das gilt auch für die Ausweitung der Mütterrente (fünf Milliarden pro Jahr), selbst die Einführung der Aktivrente gibt es nicht umsonst, dem Staat entgeht jährlich knapp eine Milliarde an Einkommenssteuer.
Wenn sich diese Koalition also schon bis kurz vor den Abgrund rangelt, wenn es um Geschenke geht, muss man sich fragen, was erst los sein wird, wenn in einem halben Jahr die Rentenkommission ihre mutmaßlich schmerzlichen Vorschläge unterbreitet. Oder wenn es ans Bürgergeld geht, Gesundheit und Pflege, die Schuldenbremse, das Wahlrecht.
Regierungsfähig und reformwillig – das wäre die Mindestanforderung an eine Koalition, die Deutschland gerade dringend braucht. Schwarz-Rot muss das noch beweisen.