Meinung Die Renten-Sturheit der SPD hat einen zu hohen Preis

Die SPD-Vorsitzenden Bärbel Bas und Lars Klingbeil
Zu früh gefreut? Die SPD-Vorsitzenden Bärbel Bas und Lars Klingbeil
© Florian Gaertner / Imago Images
Die SPD hat sich durchgesetzt. Das Rentenpaket bleibt, wie es ist. Die Sozialdemokraten sollten das nicht feiern. Ihr Veränderungsstopp hat einen viel zu hohen Preis. 

Das Rentenpaket muss am Freitag verabschiedet werden. Alles andere würde die Koalition, die demokratische Mitte und das Land nachhaltig zersetzen. An einem theoretisch errechneten Rentenniveau ab 2031 darf kein Regierungsbündnis implodieren. Schon gar nicht in dieser Weltlage.

Zumal die Junge Gruppe in der Unionsfraktion mit ihrem Aufstand bereits Erfolge erzielt hat: Sie hat den Druck hin zu Veränderungen im Rentensystem massiv erhöht, innerhalb von wenigen Wochen hat sich eine realistischere Rentendebatte entwickelt. Natürlich muss es grundlegende Reformen geben. Die Zusage dafür gibt es jetzt.

Die SPD sollte (bei allen Fehlern, die der Union unterlaufen sind) ihr Beharren auf dem unveränderten Gesetzesentwurf auch deshalb nicht zu sehr feiern. Ihr Sieg ist teuer erkauft. Man muss sagen: viel zu teuer. Denn Bevölkerung, Sozialdemokraten und politisches System zahlen einen dreifachen Preis dafür.

Erstens wird die Festlegung über das Jahr 2031 hinaus extrem viel Geld kosten. Rund 120 Milliarden sind es allein bis 2040, um sich diese gigantische Summe leisten zu können, musste extra ein neuer Steuerzuschuss für die Rente geschaffen werden. Und wer glaubt schon, dass sich diese Festlegung für die Zukunft nun leicht wieder herausverhandeln lässt?

Bezahlt wird das alles von den Bürgern, mit einem weiter steigenden Rentenbeitrag und bald auch mit ihren Steuern. Ob all jene, die heute in das System einzahlen, in 20 oder 30 Jahren noch etwas davon haben? Steht irgendwo in den Sternen.

Der Rentenpopulismus der SPD

Zweitens lässt sich die SPD bei der Rente auf eine gefährliche Debatte ein: Wer jeden Zweifel am bisherigen System als Rentenkürzung, Kahlschlag und soziale Kälte vergrätzt, macht jede konstruktive Debatte unmöglich.

Die Sozialdemokraten steuern mit ihrem Rentenpopulismus in ein Dilemma, das sie offenbar nicht sehen: Wird die SPD einen kurzfristigen Rentenwahlkampf gewinnen? Vielleicht. Mittelfristig wird sie im Populismuswettstreit verlieren. Die AfD positioniert sich längst mit uneinlösbaren Rentenversprechen: einem Niveau von 70 Prozent, wenn man nur etwas an der Entwicklungshilfe kürzt. Die SPD täte gut daran, die schwierige Debatte über die Leistungsgrenzen des Rentensystems endlich zu ermöglichen.

Drittens schwächte das Veto zu jeder Verhandlung letztlich das Parlament. Unter früheren Fraktionsvorsitzenden wäre es völlig undenkbar gewesen, dass die Parteichefs beschließen, dass im Reichstagsgebäude nicht mehr gesprochen wird. So lief es aber diesmal: Die Sozialdemokraten verweigerten jedes Gespräch zum Gesetzestext.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Selbst frühere SPD-Obere schütteln über dieses Schleifen des Struck'schen Gesetzes den Kopf, wonach kein Gesetz das Parlament so verlässt, wie es hineinkam. Urheber war Peter Struck, ein Sozialdemokrat. Das Parlament ist gerade kein Abnickverein von Regierungsentscheidungen.

Die SPD wird das schon bald teuer bezahlen: Beim Thema Bürgergeld müssen nun die Sozialdemokraten mit der absoluten Härte der Union rechnen. Nachverhandlungen im Parlament werden nach dem Kabinettsbeschluss kaum noch möglich sein. Und das beim Herzensthema der SPD.

War es das alles wert? Nein. 

Es wäre für die Sozialdemokraten keine Niederlage gewesen, das neue Rentengesetz um eine Formulierung zu ergänzen, wonach die Zeit ab 2031 grundsätzlich von der Rentenkommission geregelt wird. Festlegungen für die Zukunft sollten ohnehin dort getroffen werden. 

Es ist nun, wie es ist. Die Koalition muss im kommenden Jahr beweisen, dass sie doch zu grundlegenden Reformen in der Lage ist. 

Daran hängt ihr Schicksal. Daran hängt bei immer mehr Menschen im Land der Glaube an die Regelungskraft der Demokratie.

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