Eine Rentenreform mit mehreren Komponenten – das versprechen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und die Koalitionsspitzen den Bundesbürgern insgesamt und den Renten-Rebellen von der Jungen Gruppe in der Unionsfraktion im Besonderen. Die jungen Unionsabgeordneten haben inzwischen auch angekündigt, bei aller Kritik "Rücksicht auf den Koalitionsfrieden" nehmen zu wollen. Deshalb gilt es als eher wahrscheinlich, dass SPD und Union ihr umstrittenes Rentengesetz bei einer Abstimmung im Bundestag durchbringen – und der Weg damit auch geebnet ist für weitere Rentenpläne:
Stabile Renten: Hält die Haltelinie?
Im Rentengesetz ist ein Kernanliegen der SPD enthalten: Rentnerinnen und Rentner sollen bei den jedes Jahr am 1. Juli stattfindenden Rentenanpassungen weiter Erhöhungen gemäß der Lohnentwicklung bekommen. Das bewirkt eine Stabilisierung des Rentenniveaus, das bis 2031 auf 48 Prozent gehalten werden soll. Kosten: bis zu 11 Milliarden Euro im Jahr 2031.
Ohne Stabilisierung würden die Renten nicht mehr so stark steigen. Denn eingerechnet würde, dass in den nächsten Jahren immer mehr Babyboomer von einzahlenden Beschäftigten zu empfangenden Rentnerinnen und Rentnern werden. Die Junge Gruppe in der Unionsfraktion lehnt ab, dass das Rentenniveau auch ab 2032 um einen Punkt höher als ohne Gesetz liegen soll – das koste den Staat 15 Milliarden Euro jährlich.
Mehr für Eltern: Was hat es mit der Mütterrente auf sich?
Mit demselben Gesetz soll die Zeit der Kindererziehung, die für die Rente anrechnungsfähig ist, ausgeweitet werden. Künftig soll sie für vor 1992 geborene Kinder um weitere sechs Monate verlängert werden. Anerkannt werden sollen somit drei Jahre für alle Kinder – unabhängig vom Jahr der Geburt des Kindes. So soll die "derzeitige Ungleichbehandlung der Kindererziehungszeiten" enden. Kosten: ab 2027 erst 5 Milliarden, später 4 Milliarden Euro jährlich. Vor allem die CSU hatte die Vollendung der Mütterrente betrieben.
Arbeit im Alter: Was beinhaltet die Aktivrente?
Weiterarbeiten über das reguläre Rentenalter hinaus soll attraktiver werden. Die sogenannte Aktivrente wurde im Bundestag schon in erster Lesung beraten und soll nun verabschiedet werden. Wer nach Erreichen des Rentenalters weiterarbeitet, soll ab kommendem Jahr bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei verdienen können.
Mit der Änderung im Einkommensteuergesetz sollen Rentnerinnen und Rentner mit bis zu 890 Millionen Euro jährlich entlastet werden. Die Aktivrente war ursprünglich von der CDU gefordert worden. Vor allem die SPD besteht immer wieder darauf, dass am regulären Rentenalter nichts geändert wird – es steigt auf 67.
Mit Kapital ins Leben: Was gehört zur Frühstartrente?
Für die sogenannte Frühstartrente steht ein Gesetzgebungsverfahren noch aus. Geplant ist, dass jedes Kind, das eine Bildungseinrichtung besucht, vom 6. bis zum 18. Lebensjahr monatlich zehn Euro bekommen soll. Das Geld soll in ein individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot fließen. Ab 18 soll es bis zur Rente privat weiter bespart werden können – mit vor Renteneintritt steuerfreien Erträgen.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Was geschieht bei den Betriebsrenten?
Mit dem Rentenniveau-Gesetz wurde auch ein Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung eingebracht. Betriebsrenten sollen quantitativ und qualitativ weiter ausgebaut und gestärkt werden, vor allem bei kleineren Unternehmen und bei Beschäftigten mit geringen Einkommen. Durch neue Möglichkeiten soll es in nicht tarifgebundenen, oft kleineren Unternehmen mehr Betriebsrenten geben, etwa durch Betriebsvereinbarungen.
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Steigen soll die Steuerförderung solcher Renten bei geringen Einkommen. Der gesamte Bereich soll entbürokratisiert werden. Zuletzt hatten 18,1 Millionen Beschäftigte eine Betriebsrentenanwartschaft – mit leicht auf 52 Prozent gesunkener Verbreitungsquote.
Statt Riester: Kommt die Reform der geförderten Altersvorsorge?
Die bisherige Riester-Rente soll laut Koalitionsvertrag in ein neues Vorsorgeprodukt überführt werden – mit weniger Kosten. Auch hier hat das Gesetzgebungsverfahren noch nicht begonnen. Das künftige Anlageprodukt soll als Standardprodukt erhältlich sein, bei Geringverdienern staatlich gefördert.
Heute sorgen nur 27 Prozent mit Riester-Verträgen vor. Insgesamt fehlt laut Rentenversicherung fast vier von zehn Beschäftigten betriebliche oder private Altersvorsorge, um gesetzliche Rentenlücken auszugleichen – Tendenz rückläufig. 2001 wurde wegen der Alterung der Gesellschaft eine schrittweise Senkung des Rentenniveaus eingeleitet und die staatliche Riester-Förderung eingeführt.
Für Grundsätzliches: Was soll die geplante Rentenkommission leisten?
Grundsätzliche Schritte zu allen drei Säulen der Altersvorsorge – also gesetzliche Rentenversicherung, betriebliche und private Altersvorsorge – sollen in einer Rentenkommission aus Politik und Wissenschaft ausgehandelt und ab Sommer 2026 in Gesetzen umgesetzt werden, haben die Koalitionäre versprochen. Auch über mögliche Änderungen beim Renteneintrittsalter soll gesprochen werden.
Wie sind die Aussichten für Beitragszahler?
Anders als für das Rentenniveau soll für den Beitragssatz keine Haltelinie mehr gelten. Auch ohne Reform würde er ansteigen. So müssen die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler – also die Arbeitgeber und Versicherten – seit 2018 unverändert 18,6 Prozent vom Einkommen zahlen. Nach einem ersten leichten Anstieg 2027 soll der Prozentsatz weiter ansteigen, die 20-Prozent-Marke 2030 erreichen und 2040 bei 21,4 Prozent liegen.
Was genau hat es mit der Kritik der Jungen Gruppe auf sich?
Das Rentenpaket ist ein Kernvorhaben der Koalition, die Mehrheit im Bundestag ist aber alles andere als sicher ist. Die 18-köpfige Junge Gruppe in der Unions-Fraktion stellt sich quer – und je länger der Streit ging, desto größer wurde auch in anderen Teilen der Fraktion der Unmut über die Pläne.
Wenn alle Abgeordneten an der Abstimmung teilnehmen, bräuchte die Koalition 316 Stimmen, um das Paket zu verabschieden. Union und SPD haben zusammen 328 – also zwölf mehr als nötig. Stellt sich die komplette Junge Gruppe quer, hätte die Koalition damit alleine keine Mehrheit.
Die Abgeordneten der Jungen Gruppe drohen seit Wochen mit einer Blockade der Regierungspläne zur Stabilisierung des Rentenniveaus. Sie verweisen darauf, dass das Vorhaben auch Wirkung über das Jahr 2031 hinaus entfaltet – mit Folgekosten von rund 120 Milliarden Euro zulasten der jüngeren Generationen bis zum Jahr 2040.
In ihrer Erklärung beschrieb die Junge Gruppe, in welcher Zwickmühle ihre Mitglieder nun stecken. Einerseits gehe es um "Rücksicht auf den Koalitionsfrieden und die weitere Regierungsarbeit in anderen wichtigen Politikfeldern". Andererseits müssten die Abgeordneten auch "die finanzielle Stabilität und die sich daraus ergebende Handlungsfähigkeit unseres Landes" im kommenden Jahrzehnt berücksichtigen.