der Theaterdonner zwischen Union und SPD in der vergangenen Woche hat viel Wirbel erzeugt, aber kaum politische Wirkung. Die Attacken der obersten Sozialdemokraten auf die Kanzlerin und die Gegenangriffe von CDU/CSU lassen sich am besten mit einem geflügelten Wort aus der Fußballwelt beschreiben: "Wir haben zwar nicht gewonnen, aber dem Gegner wenigstens den Rasen zertrampelt ..." Dass Angela Merkel das Scharmützel nicht annimmt, sondern - im Gegenteil - den SPD-Finanzminister Steinbrück (zu Recht) lobt, legen ihr einige Mitstreiter zwar als Schwäche aus. Aber möglicherweise hat ihre Chefin einfach ein besseres Gespür dafür, was das Publikum draußen im Land hören und sehen will. Nämlich keinen verfrühten Wahlkampf mit langweiligen Anwürfen Richtung politischen Gegner, sondern Konzentration auf die realen Probleme. Die Wähler erwarten Lösungen und keinen sechsmonatigen Stillstand bis zur Bundestagswahl am 27. September. Vermutlich ist der Selbsthass der Großen Koalition auf die erzwungene Regierungs-Liaison viel größer als die Abneigung der Wähler gegen die schwarz-rote Truppe (Seite 34).
Einige in den Noch-Volksparteien wollen auch in diesem Jahr Wahlkampf nach alter Väter Sitte führen: hier die sozialdemokratisierte Gesellschaft, auf der anderen Seite der konservative Gegenentwurf. All jene Gestrigen haben nicht begriffen, dass es in dieser außergewöhnlichen Epoche nicht darum geht, seine gewohnte Parteilinie möglichst messerscharf zu ziehen. Es geht diesmal nicht um die Wahl zwischen mehr Umverteilung oder mehr Marktradikalität. Gefragt sind vor allem fähige Köpfe mit umfassendem volkswirtschaftlichen Know-how, die national agieren, aber global denken, die den Opel-Arbeiter ebenso im Blick behalten wie die Kreditklemme, die sich über Teilhabe von Arbeitnehmern ebenso Gedanken machen wie über eine neue Finanzmarktordnung.
Alles in allem hat die Große Koalition seit September ein anständiges Krisenmanagement abgeliefert. Unter anderem hat sie auch den G-20-Gipfel in London kommende Woche sauber vorbereitet. Dort soll eine weltweite Überwachung der Finanzmärkte beschlossen werden. Die Rezepte, die Angela Merkel dafür ihren EU-Kollegen präsentiert hatte, stammten überwiegend aus Steinbrücks Küche. Und in der vergangenen Woche beschlossen die Fraktionen der Großen Koalition im Bundestag das Banken-Enteignungsgesetz - gegen den Protest einer wütenden FDP, die - wäre sie in der Regierungsverantwortung gewesen - auch keine andere Möglichkeit gehabt hätte. Das ahnt auch der Wähler. Und deshalb wendet er sich gelangweilt von diesen Ritualen ab. Wer glaubt, schon jetzt mit politischer Großmaulerei zu punkten, der verliert am Ende.
Herzlichst Ihr
Andreas Petzold