"Ein Schmetterling kann einen Taifun auslösen. Der Windstoß, der durch seinen Flügelschlag verdrängt wird, entwurzelt vielleicht ein paar Kilometer weiter Bäume. Genau so, wie sich ein Lufthauch zu einem Sturm entwickelt, kann deine Tat wirken." So lyrisch begann vor knapp zwei Jahren das Manifest der Werbekampagne "Du bist Deutschland", die für mehr Eigeninitiative, Selbstvertrauen und Zuversicht in unserem Land sorgen wollte. Ich erinnere mich noch genau daran, wie viele Menschen die Spots damals belächelt und im Internet verulkt haben. Aber dann standen dieselben Zyniker während der Fußball-WM plötzlich mit stolzer Brust und feuchten Augen da, schwenkten schwarz-rot-goldene Fahnen und sangen: "Mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein werden wir Weltmeister sein."
Jetzt startet die zweite Staffel von "Du bist Deutschland". Dieses Mal will die Kampagne zeigen, dass Kinder bei allem Stress, den man mit ihnen hat, ein großes Glück sind. Und wieder werden einige Kritiker fragen: Ausgerechnet jetzt fröhliche Werbung für mehr Kinder, wo doch so viele misshandelt und getötet werden? Ja, gerade jetzt kann Deutschland einen Windstoß gebrauchen, der gesellschaftspolitische Veränderungen vorantreibt. Werbung allein kann nicht bewirken, dass unser Land kinderfreundlicher wird. Doch selbst wenn sie nur ein Lufthauch ist, der den Sturm mit antreibt, hat sie unsere Unterstützung.
Schätzungsweise 2,5 Millionen Kinder in Deutschland leben unterhalb der Armutsgrenze, und noch schlimmer als der Mangel an Geld ist oft die soziale Verwahrlosung, das Versagen der Eltern und Behörden. Im Dunkeln eingesperrt, gequält und verhungert: Die siebenjährige Jessica aus Hamburg wog neuneinhalb Kilo, als sie starb. Tim aus Elmshorn wurde nur zwei Jahre alt. Er hatte Blutergüsse am Körper und im Gesicht. Auch Kevin aus Bremen war nur zwei geworden, als sein drogenabhängiger Ziehvater die Kinderleiche mit den vielen Knochenbrüchen in den Kühlschrank legte. Lea-Sophie in Schwerin, fünf Jahre alt, war verhungert. Auch in Plauen wurden vergangene Woche wieder Babyleichen gefunden. Und jetzt die fünf toten Jungen von Darry.
Jedes Jahr sterben in Deutschland etwa 100 Kinder an den Folgen von Misshandlungen. Wie viele Kinder an der Gefühlskälte, Überforderung und dem Selbsthass ihrer Eltern leiden, darüber gibt es keine verlässlichen Zahlen. Es dürften Hunderttausende sein. Das alles ist traurige Realität in einem Land, das zu vergessen scheint: Kinder sind unsere Zukunft. Ohne Kinder haben wir alle keine Zukunft.
Darum berichtet der stern nicht nur über das Elend, sondern versucht auch zu helfen. Seit fast drei Jahren unterstützt die "Stiftung stern" zum Beispiel den Verein Kinderhaus Arche e. V. Seine Tagesstätten in sozialen Brennpunkten in Berlin, Hamburg und München sind Anlaufstellen und Fluchtorte für Kinder aus schwierigen Verhältnissen. Sie finden dort Zuwendung, seelische Hilfe und warmes Essen. Vergangene Woche haben wir ein neues Arche-Haus in Hamburg-Jenfeld eröffnet. Weitere sind jetzt in Düsseldorf, Potsdam und Memmingen geplant. Allen Lesern, die uns allein für das Arche-Projekt rund 350.000 Euro gespendet oder vererbt haben, ein herzliches Dankeschön.
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Herzlichst Ihr
Thomas Osterkorn