Gerhard Schröder, das ist heute kein Geheimnis mehr, hatte schon 1998 eine große Koalition im Sinn. Erstens mochte er die Grünen nicht. Außerdem erhob sich bereits damals das deutsche Problemgebirge so übermächtig, dass es nur mit beiden großen Volksparteien bezwingbar erschien. Doch in den folgenden Jahren ließ der New-Economy-Aufschwung alle in dem Glauben, Rot-Grün drücke die richtigen Knöpfe. Heute wissen wir es besser.
In diesen Tagen sieht es danach aus, als ob Schröders ursprüngliche Vision am 18. September Realität werden könnte. Natürlich ohne ihn. Denn über ihm ist nur der Himmel, aber sicher nicht Angela Merkel. Die würde eine große Koalition anführen, vermutlich mit einem Peer Steinbrück als Copiloten. Die Umfragestärke der neuen Linkspartei macht diese Paarung wahrscheinlich, für Schwarz-Gelb reicht es möglicherweise nicht. Das ist keineswegs die schlimmste aller denkbaren Regierungskombis. Denn die Bürger erwarten Lösungen und Bewegung: beim Wachstum, dem Arbeitsmarkt, den Sozialsystemen. Allein - sie trauen derzeit weder Regierung noch Opposition diesen Herkules-Akt zu. Es herrscht grenzenlose Verdrossenheit, gen null gehendes Vertrauen spiegelt sich in den Zahlen der Meinungsumfragen.
Eine große Koalition hätte die historische Chance, Bürgervertrauen zurück- zugewinnen, Föderalismusblockaden zu beseitigen und die schattenboxenden Linksausleger Gysi und Lafontaine ins Leere laufen zu lassen. Unabhängig vom Wahlkampfgetöse sind sich CDU und SPD ja weitgehend einig über den zerschundenen Zustand des Landes. Eine vernunftgetriebene schwarz-rote Reformagenda müsste bei unpopulären Beschlüssen nicht um jede einzelne Fraktionsstimme im Bundestag bangen. Niemand könnte sich mehr davonstehlen und mit dem Finger auf die anderen zeigen; Schluss mit taktischen Mätzchen. In zwei, drei Jahren ließen sich die wichtigsten Themen abarbeiten, dann geht jeder wieder seiner eigenen Wege. Schröder hatte schon damals den richtigen Riecher.
Am 6. August 1945
warfen die Amerikaner über der japanischen Stadt Hiroshima die erste Atombombe ab. Damals ein Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit, heute ein Jahrestag mit beängstigender Aktualität.
Die Gefahr eines atomaren Wettrüstens ist so groß wie seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr. Die Erzfeinde Indien und Pakistan bedrohen sich mit Atomwaffen. Vermutlich besitzt Nordkorea atomare Sprengköpfe. Der Iran könnte in absehbarer Zeit in der Lage sein, die tödlichste aller Waffen zu produzieren. Israel hat sie schon. Die USA weigern sich, einen umfassenden Vertrag zum Verbot von Nukleartests zu ratifizieren. Die Bush-Regierung hat andere Pläne. Sie denkt über die Entwicklung einer neuen Generation von strategischen Atomwaffen nach. Selbst in Japan, das sich von China und Nordkorea bedroht fühlt, ist der Besitz von Atomwaffen kein Tabuthema mehr.
Dagegen protestieren die Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki. Für sie ist der Krieg noch nicht Geschichte. Denn die Bomben, die über Japan explodierten, töten selbst 60 Jahre nach ihrem Abwurf noch Menschen. Zehntausende leiden psychisch und physisch unter den verheerenden Spätfolgen der radioaktiven Strahlung. Möglicherweise reicht die zerstörerische Kraft der Bomben bis in die zweite oder gar dritte Generation. stern-Reporter Jan-Philipp Sendker ist zwei Wochen durch Japan gereist, er hat mit Ärzten, Wissenschaftlern und Überlebenden gesprochen. Lesen Sie seinen bewegenden Bericht ab Seite 58.
Herzlichst Ihr
Andreas Petzold