Editorial Sarkozy ist ehrgeizig, eitel und machtbewusst

Liebe stern-Leser!

Es war fast genau der 200. Jahrestag von Napoleons Kaiserkrönung, als Nicolas Sarkozy Ende 2004 in den großen Messehallen bei Le Bourget zum neuen Chef der französischen Mitte-rechts-Partei UMP gewählt wurde. Eine bewusste Inszenierung, denn der Herausforderer des alternden Machthabers Jacques Chirac soll damals gesagt haben: "Ich wünsche, dass jene Feier dieser gleicht, dass die Franzosen mich unbewusst mit dem Kaiser identifizieren." Nun haben die Franzosen den kleinen Mann mit den großen Worten zu ihrem Präsidenten gewählt. Sarkozy ist ehrgeizig, eitel und machtbewusst. Sein Programm lässt die Herzen der Konservativen in Europa höher schlagen: Die Menschen sollen länger arbeiten; die Beamtenschaft soll reduziert, die Zahl der Minister fast halbiert werden. Sarkozy will Erbschaftsund Schenkungssteuer praktisch abschaffen, den Familiennachzug von Ausländern beschränken, jugendliche Wiederholungstäter wie Erwachsene bestrafen und an den Atomkraftwerken festhalten. Ansonsten ist sein Motto: Frankreich, Frankreich über alles – ob es um EU oder Airbus geht, die eigenen nationalen Interessen gehen knallhart vor. Und von einer Sonderrolle der deutsch-französischen Beziehungen hält der neue Präsident nicht viel.

stern-Korrespondent Tilman Müller beschreibt in unserer Titelgeschichte den unaufhaltsamen Aufstieg von Nicolas Sarkozy, dem Sohn eines ungarischen Adligen und Antikommunisten, der 1948 nach dreitägiger Zugfahrt mittellos in Paris ankam. An ein Gespräch mit Sarkozy war auch während des Wahlkampfes nicht zu denken. Im Umgang mit der Presse handelt er nach Lenins Maxime: Vertrauen ist gut, Kontrolle besser. Ausländischen Blättern gibt er bislang keine Interviews, und französischen Gazetten auch nur, wenn er von ihnen keine Kritik befürchten muss. Als die Illustrierte "Paris- Match" es wagte, von einem Seitensprung seiner Frau zu berichten, wurde der Chefredakteur abgelöst – viele meinen, auf Druck von Sarkozy, der mit dem Eigner des Blattes befreundet ist.

Am morgigen Freitag werden wir im Hamburger Schauspielhaus den Henri Nannen Preis 2007 für die besten journalistischen Leistungen in deutschsprachigen Printmedien vergeben. Die Entscheidungen der Hauptjury sind bis zum letzten Moment geheim. Wer aber den Preis für sein journalistisches Lebenswerk erhält, das steht bereits fest: Nach dem großen Autoren und Journalisten Peter Scholl-Latour 2005 und dem Hitler-Biografen und "FAZ"-Herausgeber Joachim C. Fest 2006 ist es in diesem Jahr der legendäre Fotoreporter Robert Lebeck, 78. Ein Buch mit jenen Geschichten, die die Jury in die engere Wahl genommen hat, dazu drei ausklappbare Fotostrecken und einige von Lebecks Bildern erscheint jetzt im Murmann Verlag, Hamburg (19,80 Euro). "Mit einem Erdbeben anfangen!" heißt der Titel, weil Henri Nannen auf die Frage, wie man gute Geschichten aufzubauen habe, anwortete: "Mit einem Erdbeben anfangen und dann langsam steigern ..."

Herzlichst Ihr

Thomas Osterkorn

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