Bettnässen Viele Grundschulkinder machen ins Bett: Warum die Klingelmatte tatsächlich hilft

Bettnässen ist auch bei älteren Kindern keine Seltenheit. 
Bettnässen ist auch bei älteren Kindern keine Seltenheit. 
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Bettnässen ist ein Tabuthema. Aber es betrifft viele Kinder. Selbst Grundschulkinder machen noch regelmäßig ins Bett. Die Scham ist oft groß und führt zu Druck und Stress. Wir haben mit der Kinderärztin Dr. Karella Easwaran darüber gesporchen, was Eltern tun können, wenn das Kind nicht trocken wird oder plötzlich wieder einnässt. 
Dr. Karella Easwaran ist Kinderärztin in Köln. Außerdem ist sie Autorin des Bestsellers "Das Geheimnis gesunder Kinder". 
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Zur Person

Kinder- und Jugendärtzin Dr. Karella Easwaran hat eine Praxis in Köln und ist Bestsellerautorin. In ihrem Buch "Das Geheimnis gesunder Kinder" erklärt sie, wie Eltern gelassener bleiben können und wie man es schafft Kinder stark und mutig zu machen. 

Rund acht Prozent aller Grundschulkinder machen ins Bett so eine Studie der Deutschen Kontinenzgesellschaft e.V. Ein Thema, über das Eltern nicht gern sprechen, und die betroffenen Kinder noch weniger. Denn das Thema Bettnässen ist mit ganz viel Scham und Angst vor Bloßstellung verbunden. Klassenfahrten oder Übernachtungen werden zum Spießrutenlauf. Und der Druck auf die Kinder steigt immer weiter.

Wir haben mit Kinder- und Jugendärztin Dr. Karella Easwaran zum Thema Bettnässen gesprochen. Dabei hat sie uns erklärt, was die Ursachen sein können und wie man mit dem Thema als Eltern am besten umgeht. 

Wieso werden ältere Kinder nicht trocken? 
Bettnässen hat häufig mehrere Gründe. Deshalb sind eine ausführliche Anamnese und eine gründliche Untersuchung sehr wichtig.

Der häufigste Grund ist ein unreifes Nervensystem. Das Gehirn kann dann die Signale der vollen Blase im Schlaf nicht richtig erkennen. Dieses Problem löst sich von allein, wenn die Kinder älter und reifer werden. Möglich ist aber auch eine angeborene kleinere Blasenkapazität. Die Blase kann nicht so viel Urin speichern wie üblich, bevor Harndrang entsteht. Bei einigen Kindern ist auch das Hormon ADH (antidiuretisches Hormon), das die Urinproduktion nachts reduziert, zu niedrig.

Infektionen des Harnwegs können ebenfalls Bettnässen auslösen oder verschlimmern, da das Kind dann öfter und dringender zur Toilette muss. Eine häufig übersehene Ursache ist Verstopfung. Der volle Darm kann Druck auf die Blase ausüben, sodass Urin unkontrolliert austritt. 

Kinder mit Schlafapnoe sind ebenfalls vermehrt betroffen, da die Atemprobleme während des Schlafs die Blasenkontrolle beeinträchtigen können. Typ-1-Diabetes kann zu nächtlichem Bettnässen führen, da wegen des hohen Blutzuckerspiegels mehr Urin produziert wird. 

Anomalien in der Struktur des Harntrakts oder neurologische Störungen, die die Blasenkontrolle beeinflussen, können ebenfalls Bettnässen verursachen.

Was ist die Altersspanne, in der Kinder normalerweise (auch in der Nacht) trocken werden? 
Das ist von Kind zu Kind unterschiedlich. In der Regel beginnen Kinder zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr, tagsüber eine gewisse Kontrolle über ihre Blase zu entwickeln

Etwa 15 Prozent der Kinder sind im Alter von fünf Jahren nachts noch nicht trocken, einige brauchen bis zum siebten Lebensjahr. Wann die Kinder toilettenreif sind, ist aber sehr individuell. 

Was können Eltern tun, wenn ein Kind nicht von allein trocken wird?
Viele Eltern sind dann verunsichert. Der erste und wichtigste Rat ist, Geduld zu haben und das Kind nicht unter Druck zu setzen. Es braucht oft Zeit, bis der Körper und vor allem das Gehirn bestimmte Entwicklungsschritte vollzogen haben.

Eltern unterstützen ihr Kind, indem sie zum Beispiel mit dem Töpfchen-Training starten. Sanft, aber konsequent können sie mit ihrem Kind den Toilettengang immer zu ähnlichen Tageszeiten üben: nachmittags nach der Kita, nach jeder Mahlzeit und ganz besonders vor dem Schlafengehen, um dem Kind eine zeitliche Orientierung zu geben. 

Wenn ältere Kinder weiterhin nachts einnässen, können Eltern Vorkehrungen treffen. Wasserdichte Matratzenauflagen oder auch saugfähige Pyjama Pants reduzieren den Stress für alle Beteiligten. Wenn das Kind über nach dem vollendeten fünfte Lebensjahr regelmäßig nachts einnässt, sollte das vom Kinderarzt oder der Kinderärztin abgeklärt werden. Das Gleiche gilt für ein Kind, das bereits trocken war, dann aber plötzlich aus unklaren Gründen wieder einnässt.

Die richtigen Hilfsmittel – wie zum Beispiel Windeln für die Nacht auch für größere Kinder – können den Druck beim Trockenwerden mindern. 
Die richtigen Hilfsmittel – wie zum Beispiel Windeln für die Nacht auch für größere Kinder – können den Druck beim Trockenwerden mindern. 
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Wie können Eltern ihre Kinder mental unterstützen?  
Kinder können nicht bewusst entscheiden, ob sie trocken werden wollen oder nicht. Das hängt von ihrer individuellen Entwicklung ab. Deshalb ist es so wichtig, dass sie sehr früh, schon beim Töpfchen-Training, Verständnis und Unterstützung bekommen. Positives Feedback und Lob sind für jeden kleinen Erfolg wichtig, auch wenn es erst mal nur der Versuch ist, das Töpfchen zu benutzen. So stärken wir das Selbstvertrauen des Kindes und motivieren es weiterzumachen.

Eltern sollten verständnisvoll reagieren, wenn es mal nicht so klappt. Strafen oder negative Kommentare sind absolut zu vermeiden. Fehler gehören zum Lernprozess immer dazu.

Kinder erfahren manchmal, dass sie als einzige in ihren Freundeskreis einnässen. Dann sind offene Gespräche, Verständnis und Ermutigung gefragt. Es beruhigt Kinder zu wissen, dass bei ihnen alles normal ist und dass manche Kinder einfach ein wenig mehr Zeit brauchen, bis sie trocken werden. Und auch hier ist es wieder wichtig, mit festen Toilettenzeiten über den Tag Routinen zu etablieren und darüber Orientierung und Sicherheit zu vermitteln.

Was erleben Sie in der Praxis, wie Eltern mit dem Thema Bettnässen umgehen? 
Das ist sehr unterschiedlich. Die Reaktion der Eltern hängt stark von deren persönlichen Vorstellungen, Erwartungen und dem Alter des Kindes ab, aber auch vom Wissensstand sowie den emotionalen und sozialen Ressourcen der Familie.

Manche Eltern sind besorgt oder sogar frustriert, besonders wenn das Kind älter ist und jede Nacht einnässt. Frust entsteht vor allem dann, wenn die Eltern nicht wissen, dass Bettnässen ein häufiges und oft vorübergehendes Problem ist, oder wenn das Kind sehr darunter leidet.

Andere Eltern spüren Scham oder Schuldgefühle. Sie befürchten, dass ihr Umfeld das Bettnässen als Erziehungsversagen werten könnte – oder als Zeichen, dass sie ihrem Kind nicht ausreichend Aufmerksamkeit schenken. Auch sorgen sie sich, dass ihr Kind ausgegrenzt werden könnte. 

Ganz selten reagieren Eltern über und setzen das Kind unter Druck, trocken zu werden. Sie bestrafen es streng oder schimpfen bei Unfällen, was die Situation oft verschlimmert.

Und wie sieht es bei den Kindern aus? Wie groß ist die Scham? 
Bettnässen kann besonders für ältere Schulkinder extrem stressig und peinlich werden. Sie haben Angst, dass ihre Freunde oder Klassenkameraden von ihrem Problem erfahren, und fürchten Spott oder Ablehnung. Das führt manchmal sogar dazu, dass sie nicht an Übernachtungen oder Schulausflügen teilnehmen und sozial isoliert sind. Erleben sie wiederholt Misserfolge beim Trockenwerden, leiden ihr Selbstbild und ihr Selbstwertgefühl, sie sind entmutigt und frustriert. 

Strafen seitens der Eltern lösen das Problem keinesfalls. Der Druck, trocken zu werden – ob er vom Kind selbst kommt oder von den Eltern –, löst zusätzlichen Stress aus und kann das Problem nur noch verschlimmern! Es ist eklatant wichtig, dass Eltern und Betreuungspersonen das Kind unterstützen und nicht beschämen.

Welche psychischen Gründe können das Bettnässen verursachen? 
Psychische und emotionale Faktoren wie Stress und Angst wirken sich auf den ganzen Körper aus. Kinder, die Stress erleben – sei es durch familiäre Veränderungen, Schulprobleme oder Konflikte mit Gleichaltrigen –, reagieren unter Umständen mit Bettnässen. Stress kann die Routine und das Wohlbefinden des Kindes stören, was sich auf die Blasenkontrolle auswirken kann.

Ängste, wie sie durch Mobbing in der Schule entstehen, können ebenfalls Bettnässen begünstigen. Das gilt vor allem dann, wenn die Probleme nicht angegangen werden. Kinder mit Trennungsangst, Angst vor der Dunkelheit oder anderen spezifischen Ängsten sind unter Umständen anfälliger für Bettnässen. Bleibt das Kind nachts nicht trocken, kann das auch eine Reaktion auf traumatische Erlebnisse und emotionalen Missbrauch sein. 

Wenn vermutet wird, dass psychische Faktoren zum Bettnässen beitragen, ist es wichtig, professionelle Hilfe von Kinderärzten, Kinder und Jugendpsychiater und Psychotherapeuten Hilfe in Anspruch zu nehmen. 

Es gibt Hilfsmittel wie Klingelmatte etc. zum Trockenwerden. Was halten Sie davon? 
Forschung und Praxis haben gezeigt, dass Bettnässen mit Urotherapie (Information und Instruktion rund um Blase, Darm und Trinkverhalten) und  evidenzbasierte Hilfsmitteln wie Klingelhosen oder Klingelmatten (auch als Enuresis-Alarme bekannt) wirksam behandelt werden kann. Diese Geräte nutzen die Prinzipien der Verhaltenstherapie. Wenn die Hose Feuchtigkeit registriert, löst sie einen Alarm aus. Das schlafende Kind wacht auf und kann zur Toilette gehen. Mit der Zeit lernt das Kind, den Harndrang vor dem Alarm zu spüren. Es erwacht dann von selbst, bevor es zum Einnässen kommt.

Laut Forschungsergebnissen haben Kinder, die diese vier Sätze regelmäßig hören, bessere Chancen, erfolgreich zu werden. 
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Studien belegen, dass viele Kinder, die Klingelhosen oder -matten verwenden, innerhalb weniger Monate nachts trocken werden können. Allerdings braucht es dafür Aufklärung, Engagement und Durchhaltevermögen – sowohl von den Kindern als auch von den Eltern. Es kann einige Zeit dauern, bis das Kind lernt, auf den Alarm zu reagieren. Zudem gibt es eine gewisse Rückfallquote nach dem Absetzen des Gerätes. Auch profitieren nicht alle Kinder gleichermaßen von dieser Methode. Für Kinder mit tiefem Schlaf oder anderen Besonderheiten kann sie weniger effektiv sein. 

Die Geräte sollten immer mit Unterstützung und nach Rücksprache mit einem Arzt oder einer Ärztin eingesetzt werden, um sicherzustellen, dass sie für das einzelne Kind eine geeignete und sichere Behandlungsmethode sind. 

Generell empfiehlt die Wissenschaft für die Behandlung von Bettnässen einen ganzheitlichen Ansatz, der sowohl physische als auch psychologische Faktoren berücksichtigt und auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes und seiner Familie zugeschnitten ist.

 

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