Hallo Frau Peirano,
vor einem halben Jahr wurde ich von meinem Freund verlassen. Wir waren etwas mehr als drei Jahre zusammen, wohnten zusammen und ein gemeinsames Leben war für mich eine klare Sache. Die Trennung kam dann sehr plötzlich, außerdem war er mein erster fester Freund, weswegen dies wahrscheinlich eine umso schmerzhaftere Erfahrung ist.
Ich bin, denke ich, noch nicht ganz über die Beziehung hinweg; die Tatsache, dass wir uns ständig (wegen der gemeinsamen Freunde, die wir haben) über den Weg laufen macht es auch sicherlich nicht einfacher. Dennoch habe ich gelernt, damit umzugehen.
Mein eigentliches Problem ist allerdings, dass ich zwar weiß, dass ich mit meinen 27 Jahren eigentlich noch recht jung bin, aber dennoch sehe ich meine Zukunft nur noch pessimistisch. Ich bin der festen Überzeugung, dass ich nie wieder jemanden kennen und lieben lernen werde, dass mich nie wieder jemand lieben wird. Und falls doch, dann wäre ich zu dem Zeitpunkt definitiv zu alt für Kinder, die ich mir in Zukunft schon wünschen würde.
Alle in meinem Freundeskreis sind fest vergeben, teilweise schon verheiratet und sogar die ersten Sprösslinge sind unterwegs. Ich fühle mich wie die eine Übriggebliebene, die kurz vor Schluss alleine gelassen wurde.
Was kann ich tun um wieder positiv ins Leben zu treten? Im Moment habe ich das Gefühl, dass ich mich komplett aufgegeben habe, weil ja - laut meinen Gedanken - eh alles keinen Sinn mehr hat. Wie kann ich den Druck aus mir rausnehmen, dass ich unbedingt jetzt schnell jemanden kennenlernen müsse, da ich sonst erst recht die "einsame alte Verrückte" sein werde?
Ich hoffe, Sie können mir einen Rat geben.
Viele Grüße,
Sophie
Liebe Sophie,
die Idee, Druck rauszunehmen, klingt wunderbar! Ich frage mich nämlich, in was für einem Umfeld Sie leben, dass alle gleichaltrigen Freundinnen mit Mitte/Ende Zwanzig schon fest gebunden sind und Familien gründen. Viele Frauen bekommen erst mit Mitte Dreißig ihr erstes Kind, einige auch noch später.
Ich denke, dass Sie versuchen sollten, sich von der Vorstellung frei zu machen, dass Sie in einem bestimmten Alter eine Familie gründen müssen. Sie brauchen immerhin einen guten Partner dazu, und es ist auch eine Frage des Glücks, wann einem der Richtige über den Weg läuft. Da heißt es entspannt abwarten. Denn wenn Sie sich Druck machen, löst das nichts, sondern verschlimmert nur die Situation. Sie wirken auf neue Männer eventuell bedürftig oder zu zielorientiert, und Sie fühlen sich natürlich auch angespannt, ohne dass Sie etwas ändern können. Das ist ungefähr so, als wenn man sich über eine rote Ampel aufregt- das reizt nur die Nerven, aber schneller grün wird es davon auch nicht.
Deshalb wäre es gut, wenn sie sich zum Beispiel mehrmals täglich einen Satz wie den folgenden sagen (oder einen Zettel mit diesem Text an eine gut sichtbare Stelle kleben): "Ich habe sehr viel Zeit" und "wenn der Zeitpunkt richtig ist, werde ich auch eine Familie haben." Ich rate Ihnen, sich Zeit zu nehmen, um Ihre Trennung zu verarbeiten. Ich hatte den Eindruck, dass Sie damit noch nicht ganz durch sind. Daher rühren wahrscheinlich auch Ihre Gefühle der Sinnlosigkeit und Verzweiflung- mir kommt das vor als ein Zeichen der Trauer um ihren Ex-Freund.
Um sich Mut zu machen und neue Perspektiven zu entwickeln, können Sie sich selbst einen Brief schreiben, den Sie erst in 10 Jahren lesen (wenn Sie 37 sind). Schreiben Sie sich, wie Sie dann leben wollen. Und noch wichtiger: Antworten Sie sich selbst aus der Perspektive der 37-jährigen Sophie. Geben Sie sich Ratschläge, was Sie machen können, um entspannt zu bleiben (oder es wieder zu werden). Ich habe zum Beispiel mal einer Frau (nennen wir sie Anne) nach einer Trennung diese Aufgabe gegeben, und die ältere Anne drückte der jüngeren Anne in der Vorstellung einen Füller in die Hand und sagte: "Schreib Dein Buch". Das genau hat Anne auch gemacht, und beim Schreiben hat sie so viel über sich gelernt, dass sie kurz nach der Veröffentlichung ihres Buches. ihrem jetzigen Mann über den Weg gelaufen ist. Anscheinend war es also nötig, dass sie sich noch Zeit für sich nimmt, bevor sie sich fest bindet.
Überlegen Sie sich doch, wie Sie jetzt das Leben genießen können! Gibt es einen Kindheitswunsch, den Sie sich erfüllen können? Eine besondere Reise, ein Instrument oder eine Sprache lernen, tanzen gehen, einen Kochkurs machen... Wenn Sie glücklich sind und Ihr Leben auskosten, lernen Sie bestimmt auch jemanden kennen. Wenn Sie allerdings warten und Ihr Seelenheil an eine glückliche Beziehung knüpfen, ist das riskant. Denn die Männer sind nicht dazu auf der Welt, um Sie glücklich zu machen- das machen Sie lieber selbst! Und Kinder sind auch kein Garant für das Glück, das werden Sie möglicherweise an Ihren Freundinnen merken. Wenn man sich selbst nicht gut fühlt, können Kinder eher noch eine zusätzliche Belastung sein.
Ich hoffe, dass Sie die kommende Zeit gut für sich nutzen können!
Herzliche Grüße
Julia Peirano
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Herzliche Grüße
Julia Peirano