Hallo Frau Peirano,
ich habe Mitte letzten Jahres ein Mädchen angesprochen, dass ich immer wieder auf meiner Fahrt zur Arbeit gesehen habe. Sie hat mir gesagt, dass sie in einer Beziehung steckt. Trotzdem hat sie sich noch am selben Abend gemeldet. Wir haben uns einige Monate getroffen, bis sie sich von ihrem Freund getrennt hat. Sie hatte nicht wirklich Zeit dazu, die Trennung zu verarbeiten, da wir uns schon kurz darauf wie ein Pärchen verhalten haben.
Sie hat in der ganzen Zeit Kontakt zu ihrem Exfreund gehalten, weil sie sich ihm gegenüber schuldig fühlt (wie sie das alles abgebrochen hat) und auch weil sie, wie ich denke, ein Stück weit abhängig von ihm ist. Er gab ihr immer Sicherheit, wenn es ihr schlecht ging und hat sie aufgemuntert, wenn sie am Boden war. Aber am Ende war es anscheinend eher eine beste Freundschaft als eine Beziehung, weshalb sie nicht im Streit auseinander sind. Ich habe aber gemerkt, dass der Exfreund sie mehr zurück will als alles andere.
Deshalb fällt es mir so schwer, dass sie sich nach wie vor treffen. Sie sagt, es wäre eine beste Freundschaft, aber ich glaube nicht dass es das für ihren Exfreund ist. Er nimmt lieber damit vorlieb, als dass es ganz vorbei ist mit Kontakt. Jedes Mal, wenn Sie sich treffen, ist mir unwohl, obwohl Sie sagt, dass von ihrer Seite aus nichts mehr ist. Hinzu kommt, dass sie nicht wirklich viele Freunde hat. Und wenn ich sie jetzt darum bitten würde, den Kontakt ganz abzubrechen, wäre einfach fast niemand mehr da, außer mir... Das kann ich ihr auch nicht antun.
Ich weiss aber im Moment einfach nicht mehr, wie ich mit der Situation umgehen soll. Es frisst mich auf, wenn sie sich mit ihm trifft und ich weiß aber auch, dass es für sie nicht ohne ihn geht. Ihr fällt es auch extrem schwer über Dinge zu reden, die sie beschäftigen und ich rede über so gut wie alles... Wir sind also auch noch ziemlich verschieden.
Wir waren jetzt schon so einige Male davor alles abzubrechen und uns damit abzufinden, dass wir einfach mit der kompletten Situation nicht umgehen können und doch haben wir uns immer wieder zusammengerissen und gesagt wir arbeiten daran...Ich weiß nicht weiter. Können Sie mir helfen oder zumindest einen Rat geben?
MfG
Anton
Lieber Anton,
anscheinend fällt es Ihrer Freundin schwer, sich zu entscheiden und klare Grenzen zu ziehen. Als sie mit ihrem Freund zusammen war, hat sie sich dennoch mit Ihnen getroffen und ist eine Beziehung mit Ihnen eingegangen. Jetzt ist sie zwar mit Ihnen zusammen, aber sie hält es genau anders herum: Sie trifft Ihren Ex, obwohl es Ihnen sehr weh tut. Und in diesem Punkt kann ich Sie sehr gut verstehen, denn die Beziehung zu diesem Ex-Freund ist mit Ihrer Beziehung nicht kompatibel.
Ich bin überzeugt von folgender Spielregel, um herauszufinden, ob ein Freund bzw. eine Freundin „okay“ ist: Man vereinbart ein Treffen zu dritt. Wenn dieses Treffen so verläuft, dass alle drei sich wohl fühlen, ist das ein gutes Zeichen. Das bedeutet nämlich auch, dass der Freund bzw. die Freundin die Beziehung des Paares anerkennt und respektiert, indem er sich auch für das gemeinsame Leben des Paares interessiert. Wenn das nicht der Fall ist und der „Freund“ bzw. die „Freundin“ in Wirklichkeit ein Rivale ist, wird er bzw. sie niemals einem Treffen zu Dritt zustimmen bzw. sich dort nicht freundlich gegenüber dem neuen Partner verhalten.
Ich glaube, ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass Ihre Freundin und ihr Ex-Freund eine Freundschaft haben, von der Sie ausgeschlossen sind. Und genau das ist es, was Sie so kränkt.
Sie können Ihre Freundin ja fragen, ob sie mit einem Treffen zu Dritt einverstanden wäre, damit Sie einen Eindruck davon gewinnen können, was zwischen den beiden ist. Und es wäre wichtig, ihr zu sagen, dass Sie sich von dieser Freundschaft ausgeschlossen fühlen. Aus meiner Erfahrung zerstört es sehr viel Vertrauen, wenn ein Partner den anderen von einem wichtigen Lebensbereich (einer Freundschaft, der Arbeit, einem Hobby) aktiv und bewusst heraus hält und diesen vor ihm verbirgt.
Alles Gute!
Julia Peirano
