Den meisten Bundesbürger graut es davor, einmal in einem der tristen Alten-Ghettos dahinvegetieren zu müssen. Wer eine große Familie hat, kann hoffen, in häuslicher Umgebung Betreuung zu finden. Ein größeres Problem haben die vielen betagten Singles. Wer hilft, wenn sie nicht mehr allein zu recht kommen?
Alternative Wohnformen
Darum probieren heute "jungen Alten" alternative Wohnmodelle aus, die das familiäre Netz ersetzen. Zusehends steigt die Nachfrage nach neuen Wohnformen die möglichst lange ein freies Leben garantieren, aber dennoch im Notfall Hilfe bieten. Das "betreute Wohnen" soll Service, Sicherheit und Selbständigkeit garantieren.
Auch Betreuungsorganisationen, Bauträger, Kommunen und Investoren basteln vermehrt an Wohnprojekten für die Generation 60plus. Die Palette reicht von preisgünstigen Alten-WG's bis zu luxuriösen Wohnresidenzen. Die Entscheidung für eine neue Wohnumwelt hängt von den persönlichen Bedürfnissen und dem Geldbeutel ab.
Umbauen oder Umziehen?
Wer so lange wie möglich, notfalls unterstützt von Pflegediensten, in seiner vertrauten Umgebung bleiben will, muss seine Wohnung meistens altersgerecht umgestalten. Das fängt bei störenden Schwellen, Treppen, zu engen Türen, unbrauchbaren Badewannen und fehlenden Liften an. Maßnahmen zur Wohnungsanpassung, die auch den Gebrauch von Rollatoren und Rollstühlen erlauben, orientieren sich an Standards für barrierefreies Wohnen. Mitarbeiter von Wohn- und Verbraucherberatungsstellen, Pflegekassen, Gemeinden oder Wohlfahrtsorganisationen beurteilen die nötigen Arbeiten, kalkulieren die Kosten und geben Tipps, wo evt. Zuschüsse zu bekommen sind. Letztendlich muss jeder selbst entscheiden, ob sich ein teurer Umbau lohnt, oder man besser gleich in eine geeignete Wohnung umzieht.
Informationen
dazu gibt es bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnanpassung in Berlin, www.koordinierungsstelle-rundumsalter.de und der Arbeitsgemeinschaft Wohnberatung in Bonn www.agw.de.
Gemeinschaftliches Wohnen
Die Idee dahinter: Aktive, tolerante Senioren tun sich zusammen, um gemeinsam künftige altersbedingte Probleme zu meistern. Das Knüpfen eines stabilen sozialen Netzes bedeutet die erste Herausforderung. Wie findet man die passenden älteren - und möglichst auch jüngeren - Menschen für eine solche Wahlgemeinschaft? Als alternative Wohnformen stehen WG'S, Hausgemeinschaften und Wohnprojekte zur Diskussion.
Gegenseitige Hilfe
Die Vorteile einer Alten-WG liegen auf der Hand: Man gehört zu einer Großfamilie, die gemeinsam Aktivitäten plant, sich gegenseitig hilft, und Kosten teilt. Allerdings ist es nicht jedermanns Sache, sich auf seine alten Tage mit Fremden in einer großen Wohnung samt Gemeinschaftsbad und -küche zu arrangieren. Und langfristig die Marotten der neuen nahen Mitbewohner zu akzeptieren.
Etwas mehr Freiraum bietet eine Hausgemeinschaft, wo jede Partei in einer separaten Wohnung lebt. Man trifft sich nach Lust und Laune in Gemeinschaftsräumen: einer Küche, einem TV-Spiel-Zimmer, einem Fitnessraum, dem Garten. Die Intimsphäre ist trotz des Zusammenhalts gewahrt. Man muss dazu nur ein passendes Domizil finden. In einem solchen Modell lebt der ehemalige Bürgermeister von Bremen, Henning Scherf, 68. Seit 17 Jahren wohnen er und seine Frau Luise gemeinsam mit Freunden in einer Gründerzeitvilla nahe der Bremer Innenstadt. Jeder hat seine abgeschlossene Wohnung, aber grundsätzlich die Pflicht, die Nachbarn zu unterstützen.
Knapp 300 großräumige Wohnprojekte
Großräumiger angelegt sind Wohnprojekte, die mehrere Häuser oder gar Siedlungslagen umfassen, und manchmal nicht nur für Senioren, sondern generationsübergreifend geplant werden. Derzeit existieren etwa 300 solcher großräumigeren Wohnprojekte, die oft aus Privatinitiative mit Hilfe öffentlicher Träger entstanden sind. Ein gutes Beispiel dafür ist das "Haus Mobile" in Köln mit 36 Wohnungen, dessen Realisierung sieben Jahre dauerte.
Die schwierige Anfangsphase dieser Gemeinschafts-Wohnidee ist überwunden. Schon 1992 wurde das "Forum Gemeinschaftliches Wohnen" in Hannover als Zusammenschluss aller einschlägigen Wohn-, Bau- und Siedlungs-Initiativen gegründet und besitzt längst ein bundesweites Netz von Kontaktstellen mit einer Suchbörse für Miet- und Kauf-Interessenten. "Biete wunderschönen Bauernhof...." oder "Suche ein Gemeinschaftswohnprojekt im Raum Darmstadt...." Parademodelle der FGWA wie das Projekt Sonnenhaus in Berlin und die Wohnhaus e. G. in Weimar sind auf der Internetseite dargestellt.
Informationen
gibt es üver das Forum Gemeinschaftliches Wohnen e.V. unter den Webadressen www.fgwa.de und www.wohnen-zu-hause.de. .
Das "Poolen" von Leistungen
Ein großer Vorteil von Wohn- oder Hausgemeinschaften ist das gemeinsame Nutzen von Serviceangeboten. Das gilt auch für die gesetzlichen Pflegeleistungen. Das PfWG erlaubt das Poolen von Leistungen.
Dabei können Pflegebedürftige Sachleistungen wie den ambulanten Pflegedienst auch gemeinsam nutzen. Die Einzelansprüche an Grundpflege oder hauswirtschaftlicher Versorgung werden gebündelt. Das spart Anfahrt, Zeit und folglich auch Kosten; mit dem ersparten Guthaben kann man sich zusätzliche Betreuungsangebote leisten.
Betreutes Wohnen
Die Grundidee des betreuten Wohnens ist weniger die Gemeinschaft als die Eigenständigkeit in der eigenen Wohnung mit der Möglichkeit, im Ernstfall sofort Hilfe bestellen zu können. Die Anlagen bieten altersgerechte Apartments oder Wohnungen mit abrufbaren Serviceleistungen wie Pflege-, Reinigungs- und Botendienste, mit naher medizinischer Versorgung und Gemeinschaftseinrichtungen. Oft können Senioren auch bei Pflegestufe 3 noch daheim bleiben, oder in ein anlage-eigenes Pflegeheim umziehen.
Wohnanlagen bieten Grundservice
Oft besteht das Leistungsangebot solcher Wohnlagen aus einem Grundservice (Hausmeister, Hausnotruf, Betreuungskräfte mit festen Sprechzeiten, Freizeitangebote, Gemeinschaftsräume), den jeder Mieter/Besitzer mitkaufen muss, sowie Wahlleistungen. Das sind u.a. Einkaufshilfen, Wäschedienst, Begleitdienste, Essen auf Rädern, ambulante Pflege. Die Kosten für betreutes Wohnen differieren gewaltig, weil sie von der Lage, dem Konzept der Anlage, der Wohnungsausstattung, und natürlich dem gebotenen Service abhängen. Betreute Wohnprojekte gibt es von privaten und sozialen Trägern. Oft leben hier nicht nur betagte Gesunde, Gebrechliche und Behinderte, sondern auch psychisch Kranke und problembeladene Jugendliche.
Wer sich für diesen vermutlich letzten Umzug entscheidet, sollte sich den Ort und den Betrieb genau ansehen und nach Gütesiegeln fragen, die es in einigen Bundesländern wie NRW, Bayern und Baden-Württemberg gibt.
Rat und Musterverträge
gibt es auch beim Kuratorium Deutsche Altershilfe www.kda.de.
Quartierskonzepte
Schon vor über zwanzig Jahren begannen die ersten Siedlungsplaner, Baureferenten und Wohnungsbaugesellschaften, über die Bedingungen zukunftsträchtiger Stadtviertel nachzudenken. Da die Deutschen immer älter werden, brauchen sie auch mehr altersgerechte Wohnquartiere. Die ersten Projekte existieren schon: fortschrittliche Neubausiedlungen wurden auf den Zukunftsbedarf hin geplant, gewachsene Altbau-Quartiere entsprechend umgestaltet: mit barrierefreien Wohnungsanlagen, organisierten Senioren-WG's, Lebens-Bereichen für ambulante und betreute Wohngruppen, Bürgertreffs, Beratungszentren, integrierten Servicediensten, und einem engagierten Quartiers-Team, das Bürgerbeteiligung, Nachbarschaftshilfen und Freizeitaktivitäten ankurbelt.
Vorbild Bielefeld
Zu den Pionieren gehört die Wohnungsbaugenossenschaft Freie Scholle e.G. in Bielefeld, die für ihre elf Siedlungen mit jeweils einigen tausend Bewohnern in der Westfalen-Stadt das Betreuungsmodell "lebensgerechtes Wohnen" entwickelt und umgesetzt hat. Die Reportage über das Modell der Wohnungsbaugenossenschaft "Wohnen bis zum Lebensende" können Sie hier nachlesen.
Senioren-Residenzen
Als Edel-Varianten des Altenwohnens gelten private Wohnstifte oder Senioren-Residenzen. Sie bieten qualitativ hochwertige und entsprechend teure Wohnungen. Viele Komplexe verfügen über ein Schwimmbad, Fitnessstudios, Bibliotheken, Restaurants, Gartenanlagen und Veranstaltungsräume. Es gibt einen 24-Stunden-Empfang sowie eine umfangreiche Palette an geselligen und kulturellen Veranstaltungen. Und natürlich ein erstklassiges Betreuungsprogramm. Der Preis und die Vorgabe eines frühen Einzugs (bis zum 80. Geburtstags) sorgen dafür, dass hier die aktiven, vermögenden Best-Ager dominieren. Ein prominenter Residenz-Bewohner ist der ehemalige Justizminister Hans-Jochen Vogel, der vor Jahren schon gemeinsam mit Ehefrau Liselotte in das Münchner Wohnstift der Augustinum-Gruppe umzog. Die beiden leben nun zufrieden im zwölften Stock auf 81 Quadratmetern. Vogels Rat: "Man sollte diesen Schritt tun, solange man noch einigermaßen beieinander ist."
Nicht alle Betreiber gelten als so seriös wie das Augustinum. Die Stiftung Warentest stellte bei einer Branchenrecherche fest, dass es auch unter den Betreibern von Senioren-Residenzen schwarze Schafe gibt, die an der Qualifikation des betreuenden Personals sparen und ihre Kunden abzocken.