Der Fotoband "Art Photography Now" versammelt knapp 70 der weltweit einflussreichsten und bedeutendsten Gegenwartsfotografen. Der extrem populäre Fotograf Gregory Crewdson inszeniert darin düstere Vorortszenarien à la David Lynch, Sam Taylor-Wood tanzt in ihren aktuellen Selbstportraits durch die Luft ihres neuen Studios und in Erwin Wurms Serie "Instructions on how to be politically incorrect" spuckt eine junge Frau einer anderen in die Suppe; auf einem anderen Bild hängt ein Mann in einem feinen Restaurant kopfüber im Pulloverausschnitt einer dunkelhaarigen Dame.
Bei den Arbeiten der hier präsentierten Fotografen handelt es nicht um Auftragsarbeiten, die unter dem gestrengen Auge eines Art Directors, im Werbesektor oder unter dem Blick eines Bildredakteurs Gnade finden müssen. Die in "Art Photography Now" vertretenen Bildermacher wie Tina Barney, Sophie Calle, Gregory Crewdson, Nan Goldin, Andreas Gursky, Wolfgang Tillmans, Hellen van Meene und Erwin Wurm verfolgen ihre eigenen Projekte im großzügigen Feld der freien Kunst. Und sind dabei keine Unbekannten: "Art Photography Now", das von der renommierten Autorin und Kuratorin Susan Bright zusammengestellt wurde, bietet eine repräsentative Sicht auf die Fotografie der Gegenwart.
Reflexion im Kunstkontext
Manche von ihnen, darunter Sophie Calle und Jeff Wall, haben sich in ihrer künstlerischen Arbeit früh auf das Medium Fotografie festgelegt und mit ihren Werken maßgebend zur wachsenden Rolle der Fotografie in der Kunst beigetragen. Neben diesen Wegbereitern finden sich in "Art Photography Now" auch Ausnahmeerscheinungen, Neulinge im Kunstmarkt wie der ehemalige Bildjournalist Luc Delahaye. Bis vor kurzem war er noch Mitglied der traditionsreichen Fotoagentur Magnum. Jetzt hat Delahaye einen eigenen Galeristen und reist mit Presseausweis in Krisengebiete. Seine dort entstandenen Panoramafotografien setzt er anschließend der Reflexion im Kunstkontext aus. Damit ist er sicher nicht unumstritten, aber ebenso gewiss ist Delahaye auch ein Wegbereiter für viele junge Bildjournalisten, die im klassischen Printbereich immer weniger Raum für ihre Fotos und deren Inhalte finden.
Das in der Edition Braus erschienene Buch ist übersichtlich in sieben Bereiche gegliedert: Porträt, Landschaft, Erzählung, Gegenstand, Mode, Dokument und Stadt. Neben einer kurzen erklärenden Einleitung in die Arbeit der Fotokünstler sind den Bildern immer auch Zitate des jeweiligen Schaffenden zur Seite gestellt. So erläutert Martin Parr, der große Grenzgänger zwischen angewandter und freier Fotografie, seine Japanreportage für die Zeitschrift "Intermission" mit den Worten: "Ich versuche immer Bilder zu machen, die auf mehreren Ebenen wirken. Ein Teil meiner jetzigen Strategie ist, die ständig zunehmenden Verteilungsmöglichkeiten von Informationen in meine Arbeit hinein zu bringen. Ein Teil von meinem Anliegen ist es, Bilder zu machen, die in allen Marktbereichen für Fotografie einsetzbar sind, angefangen von Galeriewänden bis hin zur Zeitung. Für mich wäre das die höchste Form von Fotografie". Das Buch "Art Photography Now" ist ein spannendes Kompendium über die Möglichkeiten der Fotografie.
Sabina Riester