Herr Nachoum und Herr Dimitrijevic, aus Ihrer gemeinsamen Leidenschaft für große Tiere wurde ein bewegendes Buch. Wie haben Sie beide sich gefunden?
Amos Nachoum: In den vergangenen 40 Jahren habe ich Expeditionen auf der ganzen Welt unternommen, an Land und auf hoher See. Bei einer der Reisen habe ich Marko kennengelernt und wir merkten schnell, dass uns ähnliche Dinge interessieren in Bezug auf Fotografie und Abenteuer. Wir waren dann auf sieben oder acht Trips zusammen.
Marko Dimitrijevic: Wir trafen uns in Tonga, mitten im Nirgendwo, und waren uns bei so vielem einig. Es ist schön, gemeinsam Tiere zu entdecken, zu beobachten, zu fotografieren – und danach auch die Gefühle zu teilen.
So haben Sie auch die Kapitel gegliedert, sie heißen „Ehrfurcht und Dankbarkeit“ oder „Liebe und Entzücken“.
M. D.: Das Erlebte hat in uns oft die gleichen starken Emotionen ausgelöst. Sie möchten wir den Menschen mit unserem Buch vermitteln. Damit sie die Verbundenheit zu diesen großen Tieren spüren und sich verpflichtet fühlen, sie zu beschützen, bevor sie verschwinden.
A. M.: Unterschiedliche Situationen und Tiere lösen unterschiedliche Gefühle in einem aus. Deswegen ist das Ganze nicht nur eine Erkundung der Wildnis, man erkundet auch immer sich selbst.
Gibt es ein Erlebnis, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
M. D.: Die Begegnung mit den Blauwalen. Sie sind die größten Tiere der Welt, aber scheu und schwer zu finden. Wir haben es oft versucht, schließlich gelang es uns in Kalifornien: Dieses Gefühl, wenn so ein Riesenwal an Dir vorbeizieht, lang wie zwei Busse: Wir haben die Masken abgenommen, gekichert, es war eine fast kindliche Freude. Das vergesse ich nie.
A. M.: Ich erinnere mich an die Fächerfische in Mexiko. Sie sind blitzschnell, wir mussten immer und immer wieder ins Wasser springen. Doch am Ende ist Marko dieses Foto gelungen: Der Fisch in seiner schwarzen Silhouette, umgeben von blauem Wasser. Wenn man nach der ganzen Aufregung so ein perfektes Bild hat, das ist ein herrlicher Moment.
Ist das schwieriger im Wasser?
A. M.: Ja. Weil man meist nur eine Kamera hat und nicht wechseln kann. Wir sind abhängig vom natürlichen Licht, bewegen uns viel langsamer. Und wir müssen warten, bis das Tier entspannt ist, damit wir ihm auch nahe kommen.
M. D.: Wasser ist viel dichter als Luft, man kann kein Tier mit dem Teleobjektiv heranzoomen. Ein schönes Löwenporträt bekommt man auch von weiter weg. Für das eines Hais darf man höchstens zwei Meter entfernt sein.
Im Buch schreiben Sie über ihren Ärger, dass bei Zwischenfällen mit Haien stets von „Angriffen“ gesprochen wird. Warum?
M. D.: Weil es Unfälle sind, keine Attacken. Versehentliche Bisse, wenn der Hai verwirrt ist. Surfer klingen für Weiße Haie wie Robben – und durch ihre Silhouette und die dunklen Neoprenanzüge sehen sie auch so aus. Der Hai beißt also zu, merkt, dass es keine weiche, fette Robbe ist, und schwimmt weg. Darum gibt es Überlebende. Wenn ein Weißer Hai Dich fressen wollte, täte er es in zwei Minuten.
Haie haben kein gutes Image.
M. D.: Sie werden durch Filme und reißerische Dokumentationen zu bösartigen Tieren stilisiert. Das sind sie nicht! Jedes Jahr werden sie zu Tausenden qualvoll getötet, für Suppe. Ihr schlechtes Image dient als Entschuldigung, dass wir dagegen nichts tun.
A. N.: Ich habe Hunderte Menschen mitgenommen zum Tauchen mit Weißen Haien – nie ist etwas passiert. Ich will den Mythos vom bösen Tier entzaubern, das gilt auch für Krokodile, Anacondas, Seeleoparden. Surfer, die am frühen Morgen und späten Nachmittag aufs Wasser gehen, sind eben zu den Jagdzeiten des Weißen Hais unterwegs. Wir Menschen müssen verstehen lernen und uns nicht selbst in Gefahr bringen.