Superman stützt sich auf eine Gehhilfe, Catwoman liegt erschöpft im Sessel, Captain America hängt gar am Tropf: «Nursing Home» (Altenheim) nennt der in Frankreich lebende Künstler Gilles Barbier seine Werkgruppe aus lebensgroßen Wachsfiguren. Dieser spöttische Blick auf Amerikas Helden gehört zu einer provozierenden Ausstellung, die seit Donnerstag in New York zu sehen ist. Das Whitney Museum hat Werke von 47 Künstlern und Filmemachern aus 30 Ländern zusammengetragen - sie zeigen Hoffnungen und Frustrationen hinsichtlich der nach dem Ende des Kalten Krieges «weltweit einzigen Supermacht», erläuterte Kurator Lawrence Rinder.
Unter dem Titel «The American Effect - Global Perspectives on the United States 1990-2003» (Die Wirkung Amerikas - die Vereinigten Staaten aus globaler Perspektive) vermitteln Fotografien, Installationen, Filme, Zeichnungen, Skulpturen und Malereien den Blick auf die USA. Dabei werden nicht nur die Einflüsse der USA auf Kultur, Wirtschaft und Militär ausgeleuchtet, sondern auch psychologische Auswirkungen kritisiert.
Die USA werden zu einem Symbol sehr persönlicher Ängste und Verlangen
«Manche der hier ausgestellten Künstler waren noch nie selbst in Amerika. Das Land selbst wird zum globalen Archetypus, zu einem Symbol für sehr persönliche Ängste oder Verlangen. Das möchten wir der amerikanischen Öffentlichkeit nicht vorenthalten», sagte Kurator Rinder. Für die Recherche sei er ein Jahr lang kreuz und quer durch die Welt geflogen.
Da wird sie aber einiges zu schlucken haben, die amerikanische Öffentlichkeit. Denn die Künstler gehen mit Amerika nicht gerade zimperlich um. Als blutiger Mörder von Osama Bin Laden wird beispielsweise US-Präsident George W. Bush von dem japanischen Maler Hisashi Tenmyouya dargestellt. «Keiner kann es sich zur Zeit leisten, John Lennons ’Imagine’ leichtfertig zu singen», steht in japanischen Schriftzeichen über der Szene.
Von e-waste bis Porno-Utopia
Die chinesische Künstlerin Danwen Xing, die in Queens lebt, hat in Großaufnahmen «e-waste», den Computermüll fotografiert, den amerikanische Firmen tonnenweise in chinesischen Provinzen «entsorgen».
Der Kolumbianer Miguel Angel Rojas klebt fragile Collagen aus Koka-Blättern und Dollar-Scheinen zusammen, um den ambivalenten Druck der USA nach Drogen einerseits und nach Drogenbekämpfung andererseits zu zeigen.
Und der gebürtige Kanadier Mark Lewis zeigt in seiner stummen Video-Installation «Jay’s Garden, Malibu» das Werk eines Landschaftsarchitekten mit leicht bekleideten Menschen, das er eine «Porno-Utopia» nennt. Positiver, wenn auch schon wieder überzogen, ist die Vision von Bodys Isek Kingelez aus dem Kongo, wie Manhattan im Jahre 3021 aussehen könnte: ein architektonisches Wunderland im Stil von Las Vegas mit dem wiederaufgebauten World Trade Center in Pink und Blau.
Carla S. Reissman