World Press Photo: Lee-Ann Olwage fotografiert Personen mit Demenz
World Press Photo AwardIhr Vater hat Demenz, sie pflegt ihn – und folgt einer besonderen Pflicht
Dada Paul Rakotazandriny, 91, leidet an Demenz. An diesem Sonntagmorgen bereiten er und seine Enkelin Odliatemix Rafaraniriana, 5, sich in seinem Haus in Antananarivo auf den Gottesdienst vor.
Lee-Ann Olwage begleitet Personen mit Demenz und ihre Angehörigen. In Madagaskar traf sie auf Dada Paul, der von seiner Tochter nach dem Prinzip des Valim-babena gepflegt wird.
Paul Rakotozandriny, "Dada Paul", 91, lebt seit elf Jahren mit Demenz und wird von seiner Tochter Fara Rafaraniriana, 41, gepflegt. Neun Jahre lang wusste niemand, dass Dada Paul krank war. Seine zehn Kinder nahmen an, er sei "verrückt geworden", oder schrieben die Symptome einem übermäßigen Alkoholkonsum zu. Nur seine Tochter Fara bemerkte etwas anderes. Als ihr Vater, ein pensionierter Chauffeur, eines Tages nachdem er sie von der Arbeit abgeholt hatte, nicht mehr nach Hause fand, suchte sie Hilfe. Sie hatte von Begriffen wie "Demenz" oder "Alzheimer" noch nie gehört, aber den Rat bekommen, sich an Masoandro Mody zu wenden. Das ist die einzige Organisation in Madagaskar, die Familienangehörige von Menschen mit Demenz unterstützt und schult. Dort vermittelte man ihr das Wissen und die Unterstützung, die sie für die Pflege von Dada Paul benötigt.
Die südafrikanische Fotografin Lee-Ann Olwage gewann mit ihrem Fotoprojekt "Valim-babena" beim diesjährigen World Press Photo Award in der Kategorie "Stories" den ersten Platz. Die Jury würdigte die Art und Weise, wie diese Geschichte ein universelles Gesundheitsthema durch die Brille der Familie und der Fürsorge betrachtet. Die Auswahl der Bilder sei mit Wärme und Zärtlichkeit komponiert und erinnere den Betrachter an die Liebe und Nähe, die in einer Zeit von Krieg und Aggression weltweit notwendig sind, heißt es in der Begründung der Jury weiter.
Das madagassische Prinzip valim-babena beschreibt die Pflicht der erwachsenen Kinder, ihren Eltern zu helfen. Valim-babena wird als Ausdruck der Liebe gesehen, als Rückzahlung einer moralischen Schuld für die Sorgfalt, die Eltern in die Erziehung ihrer Kinder investieren. In diesem Sinne fungiert sie als eine Form der sozialen Sicherheit.
Die WHO schätzt, dass in Madagaskar etwa 40.000 Menschen mit Alzheimer leben. "Aufgrund des mangelnden öffentlichen Bewusstseins für Demenz werden Menschen mit Symptomen des Gedächtnisverlusts oft stigmatisiert. Viele halten die Symptome für Anzeichen von Hexerei, dämonischer Besessenheit oder 'Wahnsinn'", heißt es auf der Seite von World Press Photo.
Die Fotos von Lee-Ann Olwage waren in GEO erschienen. Die ganze Geschichte über Demenz in Madagaskar lesen Sie hier.
Mehr zum World Press Photo Contest 2024 erfahren Sie hier:
Was ist der World Press Photo Contest?
World Press Photo ist eine gemeinnützige Organisation aus den Niederlanden, die professionelle Pressefotografen und -fotografinnen unterstützt. Seit 1955 werden beim World Press Photo Award die besten Arbeiten des vergangenen Jahres ausgezeichnet. Bei der diesjährigen 67. Ausgabe standen insgesamt 61.062 Beiträge (Standbilder und Multimedia) von 3851 Fotografen aus 130 Ländern zur Auswahl. Die Themen reichen von Kriegsszenen über Umweltprobleme bis zu Momenten aus dem Alltag.
Welche Kategorien gibt es?
Die vier Kategorien sind: Photo des Jahres, Story des Jahres, Long Term Project
und Open Format. Nachdem die regionalen Jurys ihre Auswahl getroffen hatten, entscheidet die globale Jury über die 24 regionalen Gewinner und von diesen wiederum über die vier globalen Gewinner.
Wer sitzt in der Jury?
Es gibt insgesamt sechs regionale Jurys und eine globale Jury. Die regionalen Jurys kommen aus Afrika, Asien, Australien/Ozeanien, Europa, Nordamerika und Südamerika. Sie setzen sich aus fünf Fachleuten der Fotografie- und Journalismusbranche aus den jeweiligen Regionen zusammen. In der Europa-Jury waren es dieses Jahr zum Beispiel zwei Fotografinnen aus England, eine Fotografin aus Russland, der Fotochef der "NZZ" aus der Schweiz und der Fotochef des stern als Vertreter für Deutschland. Die regionalen Jurys schlagen der globalen Jury je eine Shortlist für verschiedene Kategorien vor.
Was gibt es zu gewinnen?
Die Gewinner erhalten ein Preisgeld von je 1000 Euro. Die Gewinner, die lobenden Erwähnungen und die besonderen Erwähnungen der Jury werden in die weltweite Foto-Jahresausstellung und das Jahrbuch aufgenommen, sie werden auf der World-Press-Photo-Website veröffentlicht und zum "Winners' Program" in Amsterdam eingeladen.
Zusätzlich zu ihren regionalen Preisen erhalten die globalen Gewinner einen Geldpreis in Höhe von 5000 Euro, eine FUJIFILM-GFX100-II-Kamera mit Zubehör und einen zusätzlichen Sachpreis.
In diesem Jahr hat die Jury die außergewöhnliche Entscheidung getroffen, zusätzlich zwei besondere lobende Erwähnungen im Zusammenhang mit dem Krieg zwischen Israel und der Hamas aufzunehmen.
Wo sind die Bilder zu sehen?
Die preisgekrönten Fotografien werden in einer Wanderausstellung in mehr als 80 Städten auf der ganzen Welt gezeigt. Die Magazine GEO und stern präsentieren die Ausstellung seit über 25 Jahren in Deutschland. Im September dieses Jahres werden sie im Altonaer Museum zu sehen sein.
stern-Bildredakteur Andreas Trampe war Teil der europäischen Jury beim World Press Photo Contest. Im Video erklärt er, worauf es bei den besten Pressefotos der Welt ankommt.