Abwechslung, neue Dinge ausprobieren, Menschen kennenlernen und Erfahrungen machen: Für viele Menschen ist das heutzutage ein wichtiger Teil ihres Lebens. Wilf Davies' Leben könnte dagegen eintöniger kaum sein. Und trotzdem – oder gerade deswegen – ist er glücklich. Und würde sein Farmer-Leben mit niemandem tauschen wollen.
Das berichtet er in einem langen Text für den "Guardian". "Ich habe mein ganzes Leben im Teifi Valley in West Wales verbracht: 72 Jahre", protokolliert die Zeitung seine Lebensschilderung. Bereits als Junge wuchs er auf der Farm auf, die er gemeinsam mit seiner Schwester heute mit 71 Schafen betreibt. Und kann sich ein Leben woanders nicht einmal vorstellen. "Das Tal hat die Form meines Herzens", drückt er die Liebe für seine Heimat aus.
Ein Leben in Routine
Sein Alltag ist dabei so eintönig, dass er viele Menschen wohl in den Wahnsinn treiben würde. Davies sieht das anders: "Ich habe eine Routine, genau wie die Natur." Das würde schon bei seinem Essen anfangen. "Ich esse seit 10 Jahren dasselbe Abendessen, selbst an Weihnachten: zwei Stück Fisch, eine Zwiebel, Baked Beans und Kekse zum Nachtisch." Mittags gebe es eine Birne, eine Orange und vier mit Pastete belegte Brote. "Aber ich gönne ich mir etwas Abwechslung: Wenn es kalt ist, esse ich manchmal Suppe."
Auch bei der Arbeit gibt es wenig Abwechslung. "Ob es Ostern oder Weihnachten ist: Ein Farmer zu sein, beutetet immer dasselbe zu tun", erklärt Davies. "Die Tiere müssen trotzdem gefüttert werden." Das gibt ihm aber eine ganz eigene Befriedigung: "Wenn ich die Schafe füttere und sehe, wie glücklich sie das macht, erfüllt mich das auch mit Freude." Und er sieht sich auch selbst in ihnen: "Sie würden nie nach etwas anderes zum Abendessen fragen."
"Ich habe doch alles hier, was ich brauche."
An fremden Speisen oder Orten ist Davies nur mäßig interessiert. Er war mal auf einer Farm in England, vor etwa 30 Jahren. Sonst hat er Wales nie verlassen. Einen Job bei einer Ölraffinerie in Schottland, den er wie viele seiner Freunde angeboten bekam, hat er anders als sie abgelehnt. "Ich weiß, wenn ich gehen würde, würde ich doch nur an mein Tal denken. Was wäre also der Sinn? Ich habe doch alles hier, was ich brauche." Das einzige Ziel im Ausland, dass ihn interessieren würde: die chinesische Mauer. Sie sei ein Meisterwerk. "Diese Arbeit ist unfassbar", findet er.

Die geringe Abwechslung in seinem Leben sieht er allerdings eher als Vor-, denn als Nachteil. "Wenn ich in den Supermarkt gehe, weiß ich genau, was ich will", freut er sich. "Anderes Essen interessiert mich nicht. ich habe noch nie Chinesisch, Indisch oder Französisch probiert. Warum sollte ich? Ich habe mein Lieblingsessen ja schon gefunden."
Einfach glücklich
Dass sein Lebensstil ungewöhnlich ist, weiß er durchaus. "Die Menschen denken vielleicht, dass ich keine neuen Erfahrungen mache. Aber für mich ist das Geheimnis eines guten Lebens, seine Arbeit zu lieben." In einer engen Stadt zu leben, kann er sich genauso wenig vorstellen, wie drinnen zu bleiben und TV zu schauen. Nur Radio höre er, um über die Neuigkeiten aus seiner Gegend zu erfahren. "Es ist mein Leben, draußen zu sein. Nur wenn das Wetter schlecht ist, gehe ich rein."

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Dass er nie geheiratet hat, stört ihn ebenso wenig, wie dass er wenig Geld hat. "Wenn mir jemand zwei Millionen Pfund bieten würde, um wegzugehen, würde ich das Geld ablehnen", ist er sich sicher. "In den Abenden ersteige ich den Rand des Tales. Dann schaue ich hinunter und alles erscheint winzig klein. Und ich fühle mich, als würde mir die Welt zu Füssen liegen."
Quelle: The Guardian