Der Betreiber des "Hanseatic Gun Club", in dem der spätere Amokschütze Philipp F. trainierte, wehrt sich gegen Vorwürfe, sein Unternehmen habe F. zu Unrecht zu einer Waffenlizenz verholfen. "Der Hanseatic Gun Club war in die Abnahme der strittigen Sachkundeprüfung überhaupt nicht involviert", sagt der geschäftsführende Gesellschafter der Schießanlage in der Hamburger Innenstadt, Alfred Reinecke, im Gespräch mit dem stern. Vielmehr sei die Prüfung durch einen selbständigen Lehrgangsträger durchgeführt und abgenommen worden. "Der Hanseatic Gun Club stellte in diesem Fall lediglich die Räumlichkeiten, mit der Prüfung hatten weder die Betreiberfirma der Anlage noch der namensgleiche Sportschützenverein etwas zu tun", gibt Reinecke an. Er äußert sich erstmals öffentlich in der Sache.
Am 9. März hatte Philipp F. in einer Kirchengemeinde der Zeugen Jehovas sieben Menschen und sich selbst erschossen. Er war als Sportschütze legal im Besitz einer 9-Millimeter-Pistole. Ob F. die Waffenlizenz rechtmäßig erworben hat, wird mittlerweile in Zweifel gezogen. Gleichzeitig wird in der Hamburger Politik die Frage diskutiert, ob die Amoktat des Philipp F. zu verhindern gewesen wäre. Der Waffenbehörde werden dabei Vorhaltungen gemacht, auf deutliche Warnungen nicht adäquat reagiert zu haben. Im "Hanseatic Gun Club" , lautet wiederum der Vorwurf der Behörde, seien Vorschriften missachtet worden.
Der Vorwurf lautet auf Falschbeurkundung im Amt
Ende April gab die Staatsanwaltschaft Hamburg bekannt, dass gegen drei Mitglieder des Prüfungsausschusses wegen des Verdachts der Falschbeurkundung im Amt ermittelt werde. Die Prüfer hätten Philipp F. ein auf den 28. April 2022 datiertes Zeugnis ausgestellt, obwohl dieser die praktische Prüfung an jenem Tag gar nicht bestanden habe, hieß es. Eine Nachprüfung im Hanseatic Gun Club sechs Monate später sei nicht regelkonform gewesen. Dies unterstellt, hätte Philipp F. im Dezember 2022 "mutmaßlich keine Waffenbesitzkarte erhalten und dementsprechend auch keine Waffe (…) besitzen dürfen", so die Staatsanwaltschaft. Auch Prüfungen in anderen Fällen dort seien irregulär gewesen.
Die sogenannte Sachkundeprüfung ist eine zentrale Voraussetzung für den Erhalt einer behördlichen Waffenlizenz. Sie besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil und wird von einem dreiköpfigen Prüfungsteam abgenommen, das dazu von Amts wegen berechtigt sein muss. Im konkreten Fall arbeitet mindestens eines der Prüfausschussmitglieder zudem auch als Schießlehrer im "Hanseatic Gun Club".
Zuletzt hatte sich so der Eindruck verfestigt, der "Hanseatic Gun Club" sei selbst für die Prüfung bei Philipp F. verantwortlich gewesen. Dieser Eindruck wurde vergangene Woche auch von Hamburgs Innensenator Andy Grote bekräftigt, der vor dem Innenausschuss der Bürgerschaft ein rigides Vorgehen gegen den Schießclub ankündigte. "Selbstverständlich betrachten wir den Hanseatic Gun Club kritisch", sagte Grote vor dem Ausschuss: "Wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten, ist das Anlass für weitergehende Maßnahmen". Auf stern-Anfrage hin wollten Innenbehörde und Polizei keine weiteren Angaben hierzu machen. Sie verweisen auf das laufende Ermittlungsverfahren.
Demgegenüber teilte die Staatsanwaltschaft nun mit, dass im Rahmen der Ermittlungen zwar auch die Räumlichkeiten der Schießstätte zur Beweissicherung durchsucht worden seien. Schießclub-Betreiber Reinecke ist in dem Verfahren aber nicht Beschuldigter. Reinecke bestätigte auf stern-Anfrage, den Ermittlern den Zugang zu den Daten der Firmenrechner ermöglicht zu haben.