Ausgesetzt in Hamburg Der Pförtner und das Kofferbaby

Ein leises Wimmern ist plötzlich aus dem Koffer zu hören, den ein Pförtner aufbewahrt. In dem herrenlosen Gepäckstück liegt ein wenige Stunden altes Baby. Marie nennen es die Schwestern im Krankenhaus. Die Kleine ist wohlauf, ihre Mutter wird gesucht.

Wenige Stunden nach seiner Geburt ist in Hamburg ein Baby in einem verschlossenen Koffer abgestellt worden. Ein Passant wies den Pförtner des Hamburger Kongresszentrums CCH am Dienstagabend auf das herrenlose Gepäckstück hin, in seiner Loge stand es schließlich zur Verwahrung. Als ein leises Wimmern zu hören war, wurde der Pförtner stutzig, öffnete den Koffer - und fand den Säugling. Die rasch herbeigerufene Notärztin stellte fest, dass das Baby wohlauf war.

Am Donnerstag fehlte weiter jede Spur von der Mutter des Mädchens. Das Baby aber entwickelte sich gut: "Alles wunderbar", sagte Rainer Süßenguth, Sprecher des Kinderkrankenhauses Altona. Mediziner der Klinik hatten am Mittwoch erklärt, das von den Schwestern Marie genannte Mädchen sei einen Tag alt, zwar etwas klein, aber gesund. "Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass es in irgendeiner Weise misshandelt worden ist", ergänzte Polizeisprecher Mirko Streiber. Die Mutter habe vermutlich in einer Notlage gehandelt und wollte, dass ihr Kind gefunden wird.

Das Baby trug einen Strampler, ein warmes Nicki-Jäckchen, eine Mütze und sei zudem in einen etwas zu großen Kinderschneeanzug eingewickelt gewesen, berichtete die DRK-Rettungsassistentin Syzane Tetaj. Mit einem Gewicht von 2200 Gramm und 45 Zentimetern Länge sei Marie sehr klein und müsse noch überwacht werden, erklärte Rainer Süßenguth vom Kinderkrankenhaus Altona. Das Kind sei aber nicht zu früh und sicher nicht in einem Krankenhaus zur Welt gekommen.

Die Mutter wurde von der Polizei wegen des Verdachts der Aussetzung gesucht. Dabei wurden auch Videoaufnahmen aus den Überwachungskameras des nahe gelegenen Dammtor-Bahnhofs ausgewertet. Der schwarze Trolley war unweit eines Eingangs zum Kongresszentrum abgestellt worden. Da bei den Pförtnern jedes Jahr hunderte herrenlose Taschen und Koffer abgegeben werden, dachte sich Pförtner Habib Naji zunächst nichts dabei, als er den Koffer entgegennahm. Ein Passant hatte auf den Trolley hingewiesen. Er meldete sich am Mittwoch bei der Polizei, nachdem der Babyfund bekannt geworden war.

Naji hatte den Koffer in einen Nebenraum gestellt, damit der Besitzer ihn abholen konnte. Das Wimmern hielt der 60-Jährige zunächst für Töne aus dem Fernseher oder die eines Handys. Als er dann das Baby im Koffer entdeckte, schossen ihm die Tränen in die Augen, erzählte CCH-Sprecher Karsten Broockmann. Naji sei selber Vater und Großvater und arbeite seit vielen Jahren im CCH.

Marie ist nach Angaben des Projekts Sternipark seit langem das erste Neugeborene, das in Hamburg seit Einrichtung der ersten Babyklappe im Jahr 2000 ausgesetzt wurde. Hamburg war damals Vorreiter. Inzwischen gebe es bundesweit 97 dieser Einrichtungen in mehr als 80 Städten und eine kostenlose bundesweite Notrufnummer.

Nach Angaben der Hamburger Sozialbehörde hat es dort seit 2001 acht Fälle gegeben, in denen Babys ausgesetzt, abgegeben oder getötet wurden. Neben anderen Einrichtungen bieten zwei Babyklappen von Sternipark Müttern die Möglichkeit, ihr Kind anonym abzugeben. In die Klappen seien seit 2000 bisher 40 Säuglinge gebracht worden. 14 Mütter hätten sich innerhalb der Bedenkzeit von acht Wochen gemeldet, ihr Kind aus der Pflegefamilie geholt und wieder zu sich genommen, erläuterte die Leiterin des Projekts, Leila Moysich.

DPA
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