Sie war gerade einmal zwölf Jahre alt, als sie Anfang Oktober 2017 aus einer Wohngruppe in Cottbus verschwand. Ein Teenager, der ausreißt - klingt erst einmal wenig ungewöhnlich. Am Sonntag aber befreite ein Sondereinsatzkommando die inzwischen 13-jährige Schülerin Franziska R. - aus der Wohnung ihrer Mutter und ihres Stiefvaters in der Gemeinde Groß Schacksdorf. Dabei wurden auch die Mutter und ihre Lebensgefährte festgenommen - wegen "Entziehung Minderjähriger und Freiheitsberaubung", wie es in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Cottbus heißt. "Gleichzeitig wurden Ermittlungen wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs eingeleitet."
Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, drohen Mutter, 52, und Stiefvater, 46, wohl lange Haftstrafen. Die Mutter hat sich in der Untersuchungshaft zu den Vorwürfen geäußert, ihr Lebensgefährte verweigert bislang die Aussage. Mehr Details wollte die Staatsanwaltschaft Cottbus nicht nennen - "mit Rücksicht auf den besonderen Persönlichkeitsschutz von Minderjährigen."
Trotz Fahndung keine Spur von Franziska R.
Monatelang suchte die Polizei mit Hochdruck nach dem Teenager. Auf dem Fahndungsplakat der Polizei strahlt das Mädchen scheinbar glücklich in die Kamera. Im Fahndungsaufruf hieß es, es sei 1,60 Meter groß und trage blonde, mittellange Haare. Das Kind habe kein Handy und offenbar auch kein Geld. Eine heiße Spur können die Ermittler trotz immer neuer Aufrufe lange nicht finden.
Der Fall mutet - abgesehen vom schwerwiegenden Verdacht gegen Mutter und Lebensgefährten - skurril an. Denn das Paar hatte selbst Kontakt zur "Bild"-Zeitung aufgenommen, um Aufmerksamkeit auf das Verschwinden von Franziska R. zu lenken. So berichtet es zumindest die Zeitung selbst. Dabei sollen Mutter und Stiefvater allerdings nicht den Eindruck gemacht haben, als seien sie von Sorgen zerfressen. Seit ihrem Verschwinden sei Franziska R. zwei Mal mit einem älteren Herrn in Cottbus gesehen, behaupteten Mutter und Stiefvater laut "Bild".
Vermisste wohl mehrfach gesichtet
Nachbarn sollen die Vermisste mehrfach in der Nähe der Wohnung ihrer Eltern gesehen haben, daher bestand wohl schon länger der Verdacht, dass die Eltern etwas mit dem Verschwinden der Schülerin zu tun haben könnten. War etwa der Brief der Schülerin, über den die Polizei in der Fahndung berichtet hatte, womöglich auf Druck der Mutter und ihres Lebensgefährten geschrieben worden?
Deswegen war die Wohnungsdurchsuchung bei Mutter und Stiefvater schon die dritte, wie Staatsanwaltschaftsprecherin Petra Hertwig dem stern bestätigte. Schon im Oktober und im November sei die Polizei in der Wohnung von Mutter und Stiefvater gewesen. Franziska R. wurde aber erst bei der Durchsuchung am Sonntag entdeckt, wohl, weil sie in der vom Stiefvater angemieteten Nachbarwohnung versteckt wurde. In der sonst leeren Wohnung soll Franziska R. laut "Bild" in einem verschließbaren Schrank gefangen gehalten worden sein. Wie lange das Kind bereits wieder in der elterlichen Wohnung war, ob sie freiwillig dahin zurückkehrte oder dazu gezwungen wurde, ist unklar.
Untersuchungen werden noch dauern
Die Untersuchungen dürften noch einige Zeit dauern. Allein die Auswertung von beschlagnahmten Computerdaten werde etwa zwei Monate dauern, sagt Staatsanwaltschaftsprecherin Petra Hertwig. Danach könnte es am Landgericht Cottbus einen spektakulären Prozess geben. Das Mädchen wurde indes in die Obhut des Jugendamtes übergeben.
Noch gibt es in diesem Kriminalfall mehr Fragen als Antworten.