„Letsact“ generalüberholt Speed-Dating für die soziale Ehre

Die für Weitblick im Ehrenamt sorgen wollen: Das Team von Letsact, eingerahmt von den Gründern Ludwig Peters (links) und Paul Bäumler (rechts).
Die für Weitblick im Ehrenamt sorgen wollen: Das Team von Letsact, eingerahmt von den Gründern Ludwig Peters (links) und Paul Bäumler (rechts).
© Letsact
Vereine und Non-Profit-Organisationen finden nur schwer ehrenamtlicher Helfer. Ihr präsentiert euch nur zu öde, sagen die Entwickler der App "letsact". Ihr Vorschlag: Eine Art Tinder für Freiwilligenprojekte.

Alles lässt sich via App und ein paar Klicks anschieben: Urlaub buchen, Auto kaufen, Kredit beantragen, Rechnungen bezahlen, einen neuen Lebenspartner finden oder einen für eine Nacht. Nur sich ehrenamtlich engagieren erfordert Papierkram, E-Mails und Anrufe, womöglich noch Fax! Knapp 40 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren sind irgendwo freiwillig aktiv. In Vereinen, Projektgruppen, Museen, Feuerwehr, THW und internationalen Organisationen. Die Anzahl der Ehrenämtler ist in den vergangenen Jahren gewachsen, hat der Freiwilligen Survey von 2019 errechnet. Allerdings bleibt die Beteiligung auf weitgehend einem Niveau. 30 Millionen Ehrenamtlichen in Deutschland stehen 600.000 gemeinnützigen Vereinen und Projekten gegenüber.

Das müsste doch noch mehr gehen, wenn man die Generation Smartphone-App gezielt anspräche und den verstaubten Kommunikationstechnik über Bord wirft. So eine Art Ehrenamt-Tinder auf dem sich Vereine den Usern vorstellten. Aufs Angebot klicken und mitmachen. Fertig. Das dachten sich Ludwig Peters und Paul Bäumler schon Anfang 2019 als sie mit ihrer App "Letsact" den Markt für das Ehrenamt aufmischen wollten. Die App wurde in alle Medien wohlwollend besprochen, sammelte durchaus ihre Mitglieder, doch der große Durchbruch blieb aus. Mit frischen Investoren, einem neuen Geschäftsmodell und einer generalüberholten App wird nun ein neuer Anlauf gestartet. Die App jedenfalls ist gelungen.

Mit dem Daumen statt mit dem Fax

Aus dem Store herunterladen, kurz Name und Mail-Adresse eingeben, mit einem via Mail verschickten Code bestätigen und das war es auch schon, damit ist man ein vollwertiges Mitglied der sozialtätigen Gesellschaft. Beim ersten Aufruf bittet "Letsact" Zugriff auf die Standortdaten, um das Angebot auf dem Startbildschirm gleich nach Wohnort zu filtern. Die Angebote stellen die Vereine selbst ein, die vor der Freischaltung vom Letsacts-Team geprüft werden.

Eine gestrenge Formularmaske mit Zeichenbeschränkungen und Pflichtfeldern zwingt die Vereine dann in die gebotene Knackigkeit. Niemand will in einer App Textwüsten lesen, es muss flott gehen, übersichtlich und effektiv. Gleich auf dem Teaserbild prangen Textmarker wie "Direkt mitmachen" oder "Von Zuhause". Alles andere wäre kein Tinder. Aussagekräftiges Moodbild, dann "Ziel des Projektes", "Deine Aufgaben" und "Dinge, die Du beachten solltest, Adresse auf einer Straßenkarte – Ende der Durchsage. Wichtige Kenndaten bekommen eigene Icons: "Projekt benötigt langfristiges Engagement" oder "Absageregelung". Jeder Verein erhält seine eigene kleine Homepage in der App, auf der er sich vorstellen, Jobs und Veranstaltungen eintragen, eigene YouTube-Video verlinken kann und der die User folgen können. "Letsact" ist klar für den Daumen optimiert.

Fernziel: Community der Weltverbesserer

Die App will jedoch mehr sein, als nur Personalzulieferer. Ziel ist der Aufbau einer Helfer-Community aus den derzeit registrierten 1000.000 Mitgliedern. Gleich unter jedem Projekt zeigen in bester Social-App-manier kreisrunde Bilder die Konterfeis dort schon engagierter Letsact-User. Ein Tap auf das Bild führt zur Profilseite. Man kann anderen Aktivisten folgen, sich zu Gruppen vernetzen, eigene Projekte imitieren und Chats starten, um zum Beispiel vorzufühlen, wie das Projekt läuft und wie die Leute so drauf sind. Praktisch: Für die Chats muss man die App nicht verlassen und andere Messenger bemühen oder seine Handynummer preisgeben.

Multiplayergamer wissen: Erfolge und dafür gesammelte Badges motivieren ungemein. Auch bei Letsact gibt es Badges für bestimmte Engagements und Interaktionen innerhalb der App Auszeichnungen wie "Alleskönner" oder "Erfahrener Volunteer". Jede Auszeichnung bringt sogenannte "Karmapunkte", die dann zu neuen Freischaltungen führen. Wer erfolgreich Freunde zu App einlädt, bekommt ebenfalls Punkte – und einen von einer Partnerorganisation gepflanzten Baum. Das Prinzip heißt Gameification. Und es wirkt.

Doch selbst wer selbst keine Zeit für ein Ehrenamt hat, kann sich in ein Projekt einzubringen: mit kleinen Spenden. Ob für eine Schule in Burkina Faso, Brillen für ausgewählte afrikanische Staaten oder Seminare für Krebspatienten. Schon mit wenigen Swipes ist die Spende getan – vorausgesetzt man hat ein Paypal-Konto. Diese Funktion macht Letsact für Vereine gleich dreifach attraktiv: Werbung für die Sache, gewinnen von Helfern und Spendenquelle.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

Wollen Sie nichts mehr vom stern verpassen?

Persönlich, kompetent und unterhaltsam: Chefredakteur Gregor Peter Schmitz sendet Ihnen jeden Mittwoch in einem kostenlosen Newsletter die wichtigsten Inhalte aus der stern-Redaktion und ordnet ein, worüber Deutschland spricht. Hier geht es zur Registrierung.

Auch das Soziale muss Geld verdienen

Auch das Team von LetsAct wirbt hier um eine Spende. Selbst gemeinnützige Ideen müssen sich schließlich irgendwie tragen. Finanziert wird die Firma Letsact seit einiger Zeit von zwei Versicherungs- und Finanzunternehmen aus München. Das Geschäftsmodell steht nun auf zwei Säulen: Als App für freiwillige Helfer und gemeinnützige Vereine bleibt Letsact kostenlos. Firmen wird die App gegen Gebühr als Planungstool für eigene Freiwilligen-Projekte angeboten. "Corporate Volunteering" ist gerade angesagt bei kleineren und größeren Unternehmen, die sich als Marke sozial engagieren und den Zusammenhalt von Teams fördern wollen. In der Regel ermitteln die Personalabteilungen dafür passende Projekte, laden die Mitarbeiter dazu ein und übernehmen später dann die Auswertung. Aufgaben, die die LetsAct-App und das dazugehörige Backoffice DSGVO-konform und verschlüsselt erledigen können. Die Unternehmen erhalten sozusagen ein eigenes Letsact mit Zugriff auf die Datenbank der eingetragenen Projekte.