Wer klärt auf?
2006 wurde das Bildungsministerium per Gesetz verpflichtet, Sexualkunde in den Lehrplan von Grundschulen und weiterführenden Schulen aufzunehmen. Die Argentinier applaudierten - zumindest in der Hauptstadt Buenos Aires. 99 Prozent von ihnen hatten zuvor in einer Umfrage gefordert, Jugendliche zwischen 12 und 14 Jahren sollten über Familienplanung informiert werden. Die Kirche - 92 Prozent der Argentinier sind katholisch - setzte Ausnahmen durch: An den Privatschulen darf der Aufklärungsunterricht an den Glauben "angepasst" werden.
Wie lernt man sich kennen?
Im Café und auf Partys sowie durch Familie und Freunde, sagen jeweils 26 Prozent der niedrigeren Bevölkerungsschichten. Nur acht Prozent finden während der Ausbildung zusammen. Paare aus höheren Schichten lernen sich dagegen zu 31 Prozent durch Familie oder im Freundeskreis kennen. Es folgen: die Arbeit, die Ausbildung und zuletzt (mit 14 Prozent) Cafés oder Partys.
Wie erleben Argentinier ihr erstes Mal?
Meist heimlich, in Parks oder den sogenannten Telos; einer Art Stundenhotels für verliebte - aber oft nicht verheiratete - Paare. Traditionell werden Jungen von ihren Vätern ins Bordell geschickt, um dort ihre Unschuld zu verlieren. Frauen sollten bis zur Ehe Jungfrau bleiben. Doch in den ärmlichen Nordprovinzen sind ein Fünftel der Mütter bei der Geburt des ersten Kindes gerade mal 15 bis 19 Jahre alt. Und an den Schulen in und um Buenos Aires bieten Mädchen ihren Mitschülern angeblich Oralsex gegen eine Handvoll Pesos an; auf der Toilette oder in der Aula.
Wann und wie wird geheiratet?
Braut und Bräutigam sind bei der Hochzeit etwa Mitte zwanzig. Heiraten, das bedeutet bei fast drei Vierteln der Paare immer noch: in der Kirche. Im weißen Kleid, oft mit blauem Petticoat darunter, wird die Braut von ihrem Vater und der Schwiegermutter zum Altar geleitet. Die bleiben dabei, bis die Ringe getauscht sind. Nein, nicht zwischen Mann und Frau. Sondern von der rechten Hand an die linke. Eheringe werden in Argentinien bereits bei der Verlobung angesteckt. Fast drei Jahre vor der Hochzeit; so lange währt im Durchschnitt die Verlobungszeit.
Welche Rolle spielt Prostitution?
Lkw-Fahrer waren im vergangenen Jahr beliebte Kunden in Argentiniens Puffs. Sie bezahlten Prostituierte und Zuhälter in Naturalien, die sie von ihren Lieferungen abgezwackt hatten: mit Soja. Das "grüne Gold" war zur wertvollen Währung geworden. Seit einigen Jahren steht öffentliche Prostitution zumindest in der Hauptstadt nicht mehr unter Strafe. Und obwohl sie jahrzehntelang verboten war, haben gerade in Buenos Aires Bordelle eine lange Tradition. Bis 1913 war es argentinischen Männern sogar erlaubt, ihre eigenen Frauen und Töchter zur Prostitution zu zwingen. Heute sind in dem Land vor allem Frauen aus der Dominikanischen Republik und aus Paraguay Opfer von Zwangsprostitution. Auch für die hohe Zahl an minderjährigen Prostituierten wurde Argentinien in der Vergangenheit von Unicef kritisiert.

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Wie steht's mit der Treue?
"Poner los cuernos": Im Land der Gauchos geifert man geradezu nach Geschichten, welchem Ehemann mal wieder Hörner aufgesetzt wurden. Privatdetektive verdienen gutes Geld damit, Fremdgeher in flagranti zu erwischen. Aus dem Strafgesetzbuch wurde der Ehebruch 1995 gestrichen, doch bis heute fällt er bei Scheidungen vor Gericht ins Gewicht. Argentinier schwören eben auf Treue: Bei einer Umfrage in der Hauptstadt sagten drei Viertel der befragten Männer und 85 Prozent der Frauen, Treue sei das Fundament einer Ehe.
Darf man sich scheiden lassen?
Bis vor rund 20 Jahren war Scheidung in Argentinien schlicht verboten. Jahrelang stritten sich die Parlamentarier nach dem Ende der Militärdiktatur um ein Gesetz; schließlich erklärte der Oberste Gerichtshof das Scheidungsverbot 1986 für verfassungswidrig.
Ist Homosexualität akzeptiert?
Vor zwei Jahren eröffnete in Buenos Aires, im alten Tangoviertel San Telmo, das erste Hotel speziell für Schwule und Lesben. Die Nacht im King- Size-Bett kostet 180 bis 350 Dollar. Buenos Aires gilt als die Schwulenhauptstadt Lateinamerikas. Hier und in wenigen anderen Orten in Argentinien können homosexuelle Paare seit 2003 heiraten. Kinder adoptieren dürfen sie nicht. Derzeit wird diskutiert, ob Schwulen und Lesben sämtliche Rechte einer Ehe zugestanden werden sollen.
Wie wird verhütet?
Die Armee war lange Zeit die einzige Institution, die kostenlos Kondome verteilte: an ihre Soldaten, wenn die an freien Tagen die Baracken verließen. 2003 hat sich der Staat verpflichtet, seinen Bürgern sowohl Informationen über Verhütung wie auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen. Es wurde Zeit: Die Zahl an Teenager-Schwangerschaften und Infektionen mit Aids war stetig gestiegen. Bei einer Umfrage gaben 34 Prozent der Jugendlichen an, beim ersten Mal nicht verhütet zu haben.
Wie oft wird abgetrieben?
Offiziell: gar nicht. Abtreibung ist verboten. Wenigstens nach einer Vergewaltigung sollten Frauen abtreiben dürfen, finden zwar drei Viertel der Bevölkerung, vor allem die katholische Kirche beharrt aber auf den alten Regeln. Als der Gesundheitsminister vor einigen Jahren eine Gesetzesänderung anregte, rief ein Militärbischof mit Bibelzitaten dazu auf, den Minister mit Steinen an den Füßen ins Meer zu werfen. Einzige Ausnahme beim Abtreibungsverbot: wenn die Mütter geistig behindert oder in Lebensgefahr sind. Eine halbe Million Schwangerschaften wird jedes Jahr heimlich beendet; etwa 500 Frauen sterben an den Folgen, so Human Rights Watch.
Wie steht's mit dem Nachwuchs?
Zwischen 23 und 28 Jahren sollte man Vater oder Mutter werden: Das fand in einer Studie der Universidad de Buenos Aires weit mehr als die Hälfte der befragten Männer und Frauen. Außerdem sagten über 80 Prozent, Kinder seien wünschenswert für Paare. Und zwar drei, so die Mehrheit. Doch auch die Frauen in Argentinien bekommen immer weniger Kinder. Hatte eine Argentinierin 1995 im Schnitt noch 2,7 Kinder, waren es 2007 nur noch 2,3.
Sex und Silikon
Argentinierinnen mögen Sex mehr als die Frauen anderer Länder, so das Ergebnis einer Umfrage im Auftrag des Deo-Herstellers Axe im Jahr 2007. Immerhin nannten gut 60 Prozent Sex als ihre Lieblingsbeschäftigung. Bei Brasilianerinnen, Holländerinnen oder Französinnen war es dagegen: Schokolade essen. In Italien, Mexiko und Deutschland: shoppen. Kein Wunder also, dass in letzter Zeit in Buenos Aires Sex- Shops speziell für Frauen eröffnet wurden. Aber: Argentinierinnen wollen auch gefallen. In Buenos Aires gibt es bereits Sex-Schulen, an denen Frauen Verführungstechniken, Striptease und Erotik-Massagen lernen können. Und die Rate der Frauen mit Silikonimplantaten war bis zur Wirtschaftskrise die höchste der Welt.
Was treiben die Argentinier im Bett?
Bei einer Umfrage im Auftrag des Cora-Verlags gaben 95 Prozent der Argentinier an, oft oder gelegentlich erotische Fantasien zu haben. Eine Umfrage von "Men's Health" bescheinigt ihnen außerdem Kreativität: Auf 5,8 verschiedene Positionen kommt der Argentinier im Schnitt beim Sex; weit mehr also als die Deutschen mit 3,3 Positionen.
Was macht die Argentinier an?
Tanzen. Genauer gesagt: Tango. "Der Tango ist der vertikale Ausdruck eines horizontalen Verlangens", sagte der irische Literat George Bernard Shaw. Ein argentinischer Essayist bezeichnete ihn als "ausdruckslosen, monotonen Tanz mit dem stilisierten Rhythmus des Beischlafs".